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Guido Guerrieri 01 - Reise in die Nacht

Guido Guerrieri 01 - Reise in die Nacht

Titel: Guido Guerrieri 01 - Reise in die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gianrico Carofiglio
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cried out,
In his anger and his shame
I’m leaving, I’m leaving
But the fighter still remains
Just still remains .
    Danach schaltete ich die Stereoanlage aus und setzte mich an den Tisch.
    Die Hühnerbuletten waren wirklich lecker, auch der Salat, und der Wein duftete und glitzerte im Glas.
    An diesem Abend war ich nicht traurig.

9
    W ir mussten es den Amis ja partout nachmachen und den amerikanischen Prozess einführen. Nur haben wir leider übersehen, dass uns dafür die entsprechenden Voraussetzungen fehlen. Ja, Herrschaften, für eine Klage im amerikanischen Stil fehlt uns schlicht die kulturelle Grundlage! Schaut sie euch doch an, die Kreuzverhöre in amerikanischen und englischen Prozessen, und dann schaut euch unsere an – die können das eben und wir nicht. Und wir werden es auch nie können, wir sind nun mal Kinder der Gegenreformation, daran lässt sich nicht rütteln. Niemand kann sein kulturelles Erbe einfach so über Bord werfen.«
    Der da während der Pause eines Prozesses, in dem ich sein Mitverteidiger war, so hochtrabend dozierte, war Avvocato Cesare Patrono – Staranwalt, mehrfacher Millionär und Freimaurer.
    Ich hatte ihn diesen Sermon bestimmt schon hundertmal halten hören, seit 1989 die neue Strafprozessordnung in Kraft getreten war.
    Dass die Unfähigen die andern waren, verstand sich von selbst – die andern Anwälte und vor allem die Staatsanwälte.
    Patrono zog über alle und jeden her. Nicht nur während der Pausengespräche im Korridor, sondern auch während der Verhandlungen. Kollegen zu demütigen, war ihm ein Genuss, und ein noch größerer Genuss war es ihm, Richter einzuschüchtern oder in Verlegenheit zu bringen.
    Aus einem unerfindlichen Grunde war ich ihm sympathisch; er war immer nett zu mir und bat mich manchmal sogar um Mithilfe bei einer Verteidigung. Was für mich sehr lohnend war, in finanzieller Hinsicht, meine ich.
    Er war gerade damit fertig, mir darzulegen, was er von dem aktuellen Strafprozess hielt, als die Staatsanwältin Alessandra Mantovani, die Robe noch über der Schulter, aus dem Verhandlungssaal trat.
    Sie stammte aus Verona und hatte sich nach Bari versetzen lassen, weil ihr Freund hier lebte. In Verona hatte sie einen reichen Ehemann und ein sehr bequemes Leben zurückgelassen.
    Kurz nach ihrer Versetzung hatte der Freund sie verlassen mit der Erklärung, er brauche seinen Freiraum, zwischen ihnen sei es bisher nur dank der großen Entfernung, die Langeweile und Routine verhindere, so gut gelaufen. Er brauche Zeit zum Nachdenken. Kurz, das ganze klassische Repertoire der faulen Ausreden.
    So kam es, dass Alessandra Mantovani plötzlich allein in Bari dastand. Und da sie alle Brücken hinter sich abgerissen hatte, war sie einfach geblieben. Ohne viel Federlesens.
    Ich mochte sie sehr. Sie war genau so, wie man sich einen guten Staatsanwalt vorstellt oder auch einen guten Polizisten, was auf dasselbe hinausläuft.
    Sie war intelligent und ehrlich. Außerdem hatte sie eine starke Abneigung gegen Kriminelle – aller Art -, aber sie verschwendete ihre Zeit nicht damit, sich darüber zu ärgern, dass der Großteil von ihnen ungeschoren davonkam. Vor allem aber: Sie konnte Irrtümer eingestehen, ohne große Umstände zu machen.
    Wir waren jedenfalls Freunde geworden oder so etwas ähnliches. Eng genug, um zusammen Mittag essen zu gehen und uns manchmal das eine oder andere über uns selbst zu erzählen, nicht eng genug, als dass mehr daraus geworden wäre, auch wenn unsere angebliche Liebschaft zu den vielen Gerüchten gehörte, die im Gerichtsgebäude kursierten.
    Patrono hasste die Mantovani. Weil sie eine Frau war, weil sie Staatsanwältin war, weil sie intelligenter und tougher war als er selbst. Auch wenn er das natürlich niemals zugegeben hätte.
    »Kommen Sie, gnädige Frau« – er nannte Staatsanwältinnen, um sie zu ärgern, immer »gnädige Frau«, nie Dottoressa oder Frau Staatsanwältin, wie es sich eigentlich gehört hätte – »hören Sie sich diesen Witz an. Er ist brandneu, zum Schreien komisch.«
    Alessandra Mantovani trat näher, neigte den Kopf etwas zur Seite und sah ihn an, ohne etwas zu sagen. Leichtes Nicken – erzähl ihn ruhig, deinen Witz – und die Andeutung eines Lächelns, kein freundliches Lächeln, nur ein leichtes Verziehen der Lippen, bei dem die Augen reglos blieben. Und kalt. Patrono erzählte seinen Witz. Er war keinesfalls brandneu, nicht einmal neu.
    Es ging um einen jungen Mann aus guter Familie, der einem

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