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Guido Guerrieri 01 - Reise in die Nacht

Guido Guerrieri 01 - Reise in die Nacht

Titel: Guido Guerrieri 01 - Reise in die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gianrico Carofiglio
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Avvocato?«
    »Herr Vorsitzender, ich verfolge mit diesen Fragen einen ganz bestimmten Zweck. Wie Sie gleich sehen werden, möchte ich damit gemäß Paragraph 195, Absatz 2 Strafprozessordnung die Glaubwürdigkeit der Zeugenaussage überprüfen.«
    Der Vorsitzende schwieg einen Augenblick; der beisitzende Richter flüsterte ihm etwas ins Ohr. Nach einer neuerlichen Pause bedeutete er mir durch ein Handzeichen, fortzufahren.
    »Also Maresciallo, welche Funktion hatten Sie inne, bevor Sie Rekrutenausbilder wurden?«
    Während ich die Frage stellte, drehte Lorusso sich einen Moment lang nach mir um und starrte mich hasserfüllt an. Ich war dabei, etwas zu tun, was man normalerweise nicht tat. Ich war dabei, den bei Prozessen üblichen stillschweigenden Nichtangriffspakt zwischen Anwälten und Polizisten zu brechen. Das hatte er begriffen. Und das würde er mir irgendwann heimzahlen, sofern sich ihm die Gelegenheit dazu bot. Darauf konnte ich Gift nehmen.
    »Ich war beim Einsatzkommando von Bari, Abteilung eins für organisierte Kriminalität tätig.«
    »Sprich der Eliteabteilung der Kripo – in der die besten Fahnder der Provinz versammelt sind. Demnach sind Sie, wenn ich das recht verstehe, von einem Spitzenposten bei der Kripo Bari auf den Posten eines... Rekrutenausbilders nach Reggio Calabria versetzt worden. Richtig?«
    »Ja.«
    »Gab es hierfür irgendeinen besonderen Anlass oder war das eine ganz normale Versetzung?«
    Ich tat das, was ich da machte, nicht gern, aber ich musste ihn aus der Ruhe bringen, um zu dem übergehen zu können, was mich wirklich interessierte.
    »Avvocato, Sie wissen genau, warum ich versetzt wurde, und dass ich erhobenen Hauptes aus dieser Geschichte hervorgegangen bin.«
    »Können Sie uns sagen, was für eine Geschichte das war?« Meine verlogene Stimme strotzte vor Freundlichkeit. Ekelhaft.
    Der Vorsitzende griff ein, diesmal ohne den Einspruch des Staatsanwalts abzuwarten.
    »Avvocato, darf ich Sie bitten, die Geduld des Gerichts nicht allzu sehr zu strapazieren. Kommen Sie zum Punkt.«
    »Maresciallo, würden Sie uns bitte sagen, weshalb Sie nach Reggio Calabria versetzt wurden?«
    »Weil ein mehrfach vorbestrafter Krimineller, der in flagranti dabei ertappt wurde, wie er ein Kilo Kokain absetzen wollte, vor Gericht behauptet hat, ich, ein Hauptmann und ein weiterer Maresciallo hätten ihn geschlagen. Wir sind alle drei freigesprochen worden, und der betreffende Herr hat zehn Jahre wegen Drogenhandels bekommen. Reicht das?«
    »Danke. Maresciallo, Sie haben im Zuge der Ermittlungen Herrn Antonio Renna, den Besitzer der Bar Maracaibo, sowie die beiden senegalesische Staatsbürger Diouf und... der andere Name fällt mir gerade nicht ein, vernommen. Ist das richtig?«
    »Ja.«
    »Können Sie dem Gericht erklären, wie Sie bei der Protokollierung vorgegangen sind?«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Na ja, haben Sie das Verhör irgendwie aufgenommen, vielleicht auf Tonband oder mit einer Videokamera?«
    »Nein, haben wir nicht, und wenn Sie die Protokolle aufmerksam gelesen hätten, wüssten Sie auch, warum. Da steht nämlich drin, dass wir aus Mangel an geeigneten Aufnahmegeräten nur ein Inhaltsprotokoll anfertigen konnten.«
    »Aha. Gut, dann lassen Sie mich noch einmal rekapitulieren: Sie haben also lediglich ein Inhaltsprotokoll angefertigt, weil Ihnen weder ein Tonträger noch eine Kamera zur Verfügung standen. Korrekt?«
    Lorusso begriff, worauf ich hinauswollte, aber jetzt war es zu spät.
    »Ich glaube nicht, dass wir in diesem Moment... ich meine, wir standen unter enormem Druck...«
    »Maresciallo, wollen Sie behaupten, den Carabinieri von Monopoli stünden weder einen Kassettenrecorder noch eine Videokamera zur Verfügung?«
    »Doch, schon, aber der Recorder… ich glaube, der war in diesem Moment kaputt. Ich weiß jetzt nicht mehr genau, aber irgendein Problem gab es damit bestimmt.«
    »Der Tonträger war also kaputt. Und die Videokamera?«
    »So etwas gibt es bei uns nicht.«
    »Verzeihen Sie, aber ich habe hier das Protokoll vor mir, das während des Lokaltermins gemacht wurde, bei dem man die Leiche des Jungen fand. Und da steht drin, dass die Lokaltermine auch mittels Videokamera protokolliert wurden . Und dem Protokoll liegt tatsächlich eine Videokassette bei. Was können Sie mir dazu sagen?«
    Cervellati brachte seinen Einspruch fast schreiend vor. Er schien kurz vor dem Ausrasten zu sein.
    »Einspruch, Herr Vorsitzender, Einspruch. Der Verteidiger kann einen Zeugen

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