Guido Guerrieri 01 - Reise in die Nacht
gewöhnte, ja, sogar Gefallen daran fand, die Leute zu schikanieren, unter dem Vorwand, dass das zwar eine schmutzige Arbeit sei, aber dass irgendwer sie schließlich tun müsse.
Wir tranken unseren Espresso und steckten danach jeder eine Zigarette an. Das unterbrach Gott sei Dank unsere Konversation über die Ethik des Anwaltsberufs. Ich meinte, der Kaffee des Gerichts könne auch als Rattengift eingesetzt werden. Sie musste lachen und sagte, sie fände es schön, dass ich sie zum Lachen brachte. Das fand ich auch.
Dann gingen wir in den Gerichtssaal zurück.
8
D er Vorsitzende forderte den Gerichtsdiener auf, den Zeugen Renna, Antonio hereinzurufen.
Renna blickte keck um sich, während er den Saal durchquerte. Er sah aus wie ein Bauer: stämmige Figur, kariertes, unmodernes Hemd, sonnengegerbte Haut. Seine Augen verrieten Schläue, eine unsympathische Bauernschläue, die keinen Zweifel daran ließ, dass er einen bei erster Gelegenheit übers Ohr hauen würde. Er fasste sich an den Bund und zog sich mit einer obszön wirkenden Geste die Hosen hoch, dann setzte er sich gelassen in die Zeugenbank, mit dem Rücken zu Abdous Käfig. Er machte es sich bequem, streckte die Beine aus und lehnte sich entspannt zurück. Er strotzte förmlich vor Selbstzufriedenheit – aber die würde ich ihm schon noch austreiben, dachte ich.
Die Vernehmung durch Cervellati war eine Art Aufguss der Vernehmung, die im Rahmen der Ermittlungen stattgefunden hatte. Renna machte haarscharf dieselben Aussagen, in derselben Reihenfolge und mit mehr oder weniger denselben Worten.
Diesmal stellte auch Cotugno, als er an die Reihe kam, ein paar völlig belanglose Fragen. Einfach so, um seinen Klienten, also den Eltern des Kindes, zu zeigen, dass er da war und etwas für sein Honorar tat.
Ich wollte gerade mit meinem Kreuzverhör beginnen, als Margherita mir etwas ins Ohr flüsterte.
»Ich weiß nicht, warum, aber mit dem stimmt was nicht.«
»Ich weiß«, sagte ich. Dann wandte ich mich an den Zeugen.
»Guten Tag, Herr Renna.«
»Guten Tag.«
»Ich bin Avvocato Guerrieri und verteidige den Angeklagten Herrn Thiam. Bitte beantworten Sie die Fragen, die ich Ihnen gleich stellen werde, kurz und kommentarlos.«
Meine Stimme klang ätzend, aber das war beabsichtigt. Ich wollte ihn reizen, ihn dazu verleiten, sich eine Blöße zu geben, in die ich dann ganz gezielt einen Treffer setzen konnte. Genau wie beim Boxen.
Rennas Schweinsäuglein musterten mich kurz, dann wandte er sich an den Vorsitzenden.
»Herr Vorsitzender, muss ich das eigentlich? Ich meine, einem Anwalt seine Fragen beantworten?«
»Ja, Herr Renna, das müssen Sie«, erwiderte Zavoianni, aber seine Miene verriet, dass er auf mich und auf den Großteil der Anwälte gern verzichtet hätte. Ich konnte trotzdem einen kleinen Vorteil verbuchen. Der Barmann hatte angebissen und war aus der Deckung gegangen.
»Also, Herr Renna, Sie haben vor dem Staatsanwalt ausgesagt, dass Sie Herrn Thiam am frühen Abend des 5. August 1999 rasch in nord-südlicher Richtung an Ihrer Bar vorübergehen sahen. Ist das richtig?«
»Ja.«
»Erinnern Sie sich noch, wann Sie im Laufe der Ermittlungen vom Staatsanwalt vernommen wurden?«
»Ich glaube, das war eine Woche danach.«
»Und wann wurden Sie von den Carabinieri vernommen?«
»Einen Tag davor.«
»Wird Ihre Bar von Ausländern besucht?«
»Ja, das kommt vor. Sie kaufen Zigaretten, trinken einen Kaffee.«
»Wissen Sie, welcher Nationalität diese Leute sind?«
»Nein, keine Ahnung. Es sind alles Neger...«
»Können Sie uns ungefähr angeben, wie viele von diesen Negern in Ihre Bar kommen?«
»Nein, keine Ahnung. Es sind die, die am Strand ihr Zeug verkaufen oder auch auf der Straße. Manchmal stellen sie sich sogar direkt vor meine Bar.«
»Aha, sie stellen sich auch direkt vor Ihre Bar. Aber das schadet Ihrem Geschäft doch nicht, oder?«
»Klar schadet das meinem Geschäft, und wie.«
»Verzeihung, Herr Renna, aber wenn das Ihr Geschäft so beeinträchtigt, warum rufen Sie dann nicht die Polizei oder die Carabinieri?«
»Warum ich die nicht rufe? Natürlich tu ich das, aber hast du schon mal erlebt, dass die tatsächlich kommen?« Er wirkte aufrichtig entrüstet. Cervellati hatte unterdessen begriffen, worauf ich hinaus wollte. Doch jetzt war es zu spät.
»Herr Vorsitzender, ich stelle fest, dass der Verteidiger den Zeugen weiterhin völlig zusammenhanglose Fragen stellt. Ich weiß nicht, ob wir so weitermachen können.«
Ich
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