Guido Guerrieri 01 - Reise in die Nacht
für Pfeifenraucher übrig. Jemanden auf der Straße Pfeife rauchen zu sehen, macht mich ziemlich nervös. Regelrecht wild werde ich aber, wenn ich, wie an diesem Nachmittag, jemanden am Strand Pfeife rauchen und sich dazu noch mit dem Dünkel eines Sherlock Holmes um sich blicken sehe. Ein Sherlock Holmes in Unterhosen.
Angesichts derlei Betrachtungen über Pfeifenraucher und Holzschlägerspieler befand ich, dass die Rückkehr meiner gesunden Intoleranz eindeutig von einer Besserung meines Zustands zeugte.
In diesem Moment tauchte in meinem Blickfeld ein junger Farbiger in knöchellanger, bunter Tunika auf, der eine Art Fez auf dem Kopf trug. Er balancierte auf der rechten Schulter einen biegsamen Stock, an dem alle möglichen Verkaufsgegenstände baumelten, und über der linken Schulter eine große, halb zerrissene Tasche. Ich blieb, die Füße im Wasser, stehen und betrachtete ihn mehrere Sekunden lang, bis ich begriff, weshalb ich das tat.
Als mir die Sache klar war, ohne dass ich ihr zunächst irgendeine besondere Bedeutung beimaß, beschloss ich, ihm ein wenig bei seiner Arbeit am Strand zuzuschauen. Dabei verfolgte ich keine bestimmte Absicht. Einen Moment lang war ich versucht, ihn zu fragen, ob er Abdou kannte. Aber ich sah gleich wieder davon ab und beschränkte mich darauf, ihn zu beobachten.
Er lief zwischen den Liegestühlen und den im Sand ausgebreiteten Handtüchern herum, als sei er hier zu Hause. In regelmäßigen Abständen winkte er mit der Hand irgendeiner der Frauen am Strand zu und diese winkten zurück. Eine rief ihn bei einem Namen, den ich nicht verstand. Er drehte sich um und ging lächelnd zu ihr, breitete seine Ware vor ihr aus, gab ihr die Hand und begann zu sprechen. Ich verstand natürlich nicht, was er sagte, aber aus den Gesten konnte man schließen, dass er seine Ware anpries. Er hielt sich mehr als fünf Minuten bei der Frau auf, die ihm am Ende eine Handtasche abkaufte. Dann setzte er seinen Rundgang fort und ich folgte ihm, zunächst nur mit den Augen, später auch gehend, wobei ich jedoch rund zwanzig Meter Abstand hielt. Die soeben beobachtete Szene wiederholte sich innerhalb der nächsten halben Stunde noch mehrmals. Ohne einen bestimmten Grund beschloss ich, einmal dicht an ihm vorbeizugehen, einfach so, um ihn auch mal aus der Nähe zu sehen, und dann zu meinem Liegestuhl zurückzugehen, da ich von der Beobachterei eigentlich genug hatte. Als ich so nah an ihm dran war, dass ich ihn hätte berühren können, kam aus seiner großen Tasche plötzlich ein schrilles Geräusch. Er blieb stehen und zog ein altes Motorola-Handy heraus, das er offenbar absichtlich laut gestellt hatte.
Er sagte pronto wie die Schwarzen in drittklassigen Spielfilmen. Brondo . Genau so. Wäre er Chinese gewesen, hätte er wahrscheinlich plonto gesagt, dachte ich. Das war kein sehr geistreicher Einfall, aber exakt das, was mir in diesem Moment durch den Kopf ging. Buchstäblich.
Die Unterhaltung war kurz und wurde auf Italienisch geführt. Das heißt auf eine Art Italienisch.
Ja, er war bei der Arbeit. Am Strand, amico . Ziemlich voll war es. Ja, amico , in Monopoli, Strand von Capitolo. Er konnte morgen kommen, morgen früh. Gut, amico , ciao.
Er verstaute sein Handy und machte sich wieder auf den Weg. Ich blieb dort, wo ich mich im Sand niedergekniet hatte, um das Gespräch mitzuhören, und dachte über etwas nach, was mir plötzlich eingefallen war.
Und fragte mich, warum ich nicht früher darauf gekommen war.
7
V erstehst du, Guido, wir sind im besten Alter. Wir können tun und lassen, was wir wollen.«
»Wie meinst du das?«
»Mensch, Guido, gerade du. Seit du solo bist, vögelst du doch bestimmt wild durch die Gegend. Und da fragst du, wie ich das meine?«
»Wild durch die Gegend«, erwiderte ich völlig neutral.
»Hey, Guido, was ist los mit dir? Erzähl schon, wir haben uns seit einem Jahr nicht mehr gesehen...«
Ich marschierte ziemlich eilig in Richtung des Gerichtsgebäudes, in jeder Hand eine schwere Tasche voller Akten, die ich für den Termin brauchte. Mein Freund Alberto hatte aufgrund seines Übergewichts alle Mühe, Schritt zu halten, schließlich saß er den ganzen Tag hinterm Schreibtisch. Wir hatten uns zufällig auf der Straße getroffen. Alberto war gerade vierzig geworden, hatte zwei Kinder und eine fette, schlecht gelaunte Frau.
Von seinem Vater hatte er eine Anwaltskanzlei geerbt, die für Banken und Versicherungen arbeitete und einen Haufen Geld einbrachte. Sein
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