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Guido Guerrieri 03 - Das Gesetz der Ehre

Guido Guerrieri 03 - Das Gesetz der Ehre

Titel: Guido Guerrieri 03 - Das Gesetz der Ehre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gianrico Carofiglio
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für Neuigkeiten? Das weiß ich ehrlich gesagt auch nicht, aber ich werde es übermorgen in Foggia erfahren. Apropos, hast du heute Abend schon was vor?
    Mein geistiges Geschwafel wurde glücklicherweise durch Maria Teresa unterbrochen, die den Kopf zur Tür hereinstreckte und mir mitteilte, die Damen Pappalepore seien da. Neue Mandantinnen. Sie hatten am Vortag angerufen und sich einen Termin geben lassen. Ich bat Maria Teresa, die Damen in mein Büro zu schicken, doch kaum hatten sie den Fuß über die Schwelle gesetzt, da blinkte schon in meinem Kopf das Warnsignal »Ärger im Verzug«.
    Die Jüngere der beiden war ein Mädchen um die fünfzig, mit einer albernen roten Brille, Kleidern aus den siebziger Jahren, knallrotem Lippenstift und gelben Haaren. Die andere war eine greise Signora mit demselben Lippenstift und Brillengläsern, die so dick waren wie der Boden einer Coca-Cola-Flasche.
    Ich bat die beiden, Platz zu nehmen. Die Jüngere half der Alten, sich zu setzen, dann ließ auch sie sich nieder und schenkte mir ein unheilvolles Lächeln.
    »Womit kann ich den Damen dienen?«, sagte ich mit einem liebenswürdigen und leicht idiotischen Grinsen.
    »Wer ist der junge Mann?«, fragte die Alte, als wäre ich gar nicht im Raum, und sah die andere an.
    »Das ist der Anwalt, Mama. Wir sind wegen der Klage hier, das weißt du doch.«
    »Dann ist das der Vetter von Raffaele?«
    »Nein, Mama, der Vetter von Raffaele ist seit zehn Jahren tot.«
    »Ach so...« Diese Auskunft schien sie etwas zu beruhigen. Ein paar Sekunden lang herrschte Stille, und ich begann schon ungeduldig zu werden.
    »Was denn nun?«, fragte ich mit demselben idiotischen Grinsen von vorher.
    »Herr Guerrini, wir müssen eine Klage einreichen. Wegen bedenklicher Vorkommnisse.«
    Es kostete mich Überwindung, aber ich verzichtete auf die Richtigstellung. Dass ich Guerrieri hieß und nicht Guerrini.
    »In unserem Mehrfamilienhaus ist ein Komplott im Gange.«
    Das war ja großartig, ich liebe Komplotte. Und ihr übergeschnappten Weiber habt mir heute gerade noch gefehlt.
    »Wer ist der junge Mann?«, fragte die Alte erneut, jetzt aber eindeutig ins Leere stierend.
    »Rechtsanwalt Guerrini, Mama. Wegen der Klage, kapierst du es jetzt endlich?«
    »Ist er verheiratet?«
    »Das weiß ich nicht, Mama. Das ist seine Sache. Möchtest du ein Bonbon?«
    Die Alte bejahte, worauf die Junge ein Konditoreitütchen aus der Tasche zog. Sie entnahm ihm ein rosa Bonbon, wickelte es aus dem Papier und schob es der Mutter in den Mund. Dann fragte sie mich, ob ich auch eins wolle. Ich zwang mich zu einem Lächeln und sagte, nein danke.
    »Also, Herr Guerrini, diese Vorkommnisse sind wirklich sehr bedenklich. Unsere Nachbarn haben sich verbündet, um uns zu vernichten. Es ist so eine Art... wie nennen Sie das noch gleich?«
    Wie nannten wir was?
    »... so eine Art mafiöse Vereinigung.«
    Ach so, eine mafiöse Vereinigung, klar. Dass ich da nicht gleich drauf gekommen bin.
    »Sie verüben tagtäglich Anschläge auf uns. Deshalb haben wir beschlossen, sie jetzt zu verklagen.«
    »Ist dieser junge Mann der Sohn von Marietta?«
    »Nein, Mama, er ist der Anwalt. Der Sohn von Marietta wohnt in Busto Arsizio.«
    »Und wie heißt seine Mutter?«
    »Das weiß ich nicht, Mama. Herr Guerrini ist Rechtsanwalt, wir sind wegen der Klage zu ihm gekommen.«
    An diesem Punkt beschloss die Alte überraschend, sich direkt an mich zu wenden.
    »Junger Mann, sind Sie vielleicht der Neffe von Signora Marzulli?«
    »Nein, Signora«, erwiderte ich höflich.
    »Er ist Rechtsanwalt, Mama. Der Neffe von Signora Marzulli ist Krankenpfleger.«
    »So jung und schon Rechtsanwalt. Aber er ist doch nicht etwa der Vetter von...«
    Von Raffaele? Nein, Signora, ich bin weder der Sohn von Marietta, der offenbar in Busto Arsizio wohnt, noch Signora Marzullis Neffe, der Krankenpfleger, und schon gar nicht der Vetter von Raffaele, der vielleicht mal Anwalt war, den Auskünften Ihrer Tochter zufolge aber bereits tot ist. Im Übrigen würde ich Sie beide liebend gern loswerden, um endlich ein wenig zu arbeiten, aber ich sehe schon, das kann ich vergessen.
    Dies alles sagte ich natürlich nicht. In Wahrheit sagte ich gar nichts, weil ich nämlich merkte, dass die Alte begonnen hatte, auf die Armlehne des Stuhles gestützt nach links zu schaukeln. Einen Moment lang fürchtete ich, sie könne vom Stuhl kippen, wegen eines Kreislaufkollaps oder Ähnlichem. Ich malte mir schon die logistischen Probleme im

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