Guido Guerrieri 03 - Das Gesetz der Ehre
Zusammenhang mit der Bergung der Leiche aus und sagte mir, dass dies wirklich nicht mein Glückstag war.
Aber die Frau lag nicht im Sterben. Nachdem sie etwa dreißig Sekunden lang geschaukelt hatte wie in Trance, strich sie sich den Rock glatt und setzte sich auf.
Die andere fuhr unterdessen fort, mir von der mafiösen Vereinigung zu erzählen, die sich in dem Mehrfamilienhaus in der Via Pasubio eingenistet hatte.
Die Einschüchterungsversuche der kriminellen Bande bestanden konkret in: unerlaubtem Wäscheaufhängen, unbefugtem Gebrauch von Stereoanlagen sowie sittenwidrigem Verhalten des Ingenieurs Fumarulo, der alleine lebte und Frauen nach Hause brachte, mitunter sogar abends. Als sie sich einmal im Fahrstuhl begegnet seien, habe sie zu ihm gesagt, dieses Treiben müsse ein Ende haben. Worauf der Ingenieur erwidert habe – wer wollte es ihm verübeln -, sie solle sich gefälligst um ihren eigenen Dreck kümmern. Passen Sie auf, wie Sie mit mir reden, habe sie zu ihm gesagt und angekündigt, dass sie ihn und alle andern Hausbewohner noch vors Gericht zitieren würde.
»Deshalb haben Mama und ich beschlossen, das ganze Haus zu verklagen. Und das Schmerzensgeld, Herr Guerrini, das teilen wir uns hinterher«, meinte sie listig, wobei sie sich über die Tischplatte hinweg zu mir vorbeugte und mir verschmitzt zuzwinkerte. »Fifty – fifty.«
Mein Gehirn arbeitete frenetisch auf der Suche nach einem Ausweg. Ohne ihn zu finden. Unterdessen wachte die Alte wieder auf.
»Sind Sie der Zahnarzt?«
»Nein, Signora, ich bin nicht der Zahnarzt.«
»... ich habe hier nämlich einen Abszess...« Sie sperrte den Mund auf und fuhr sich mit dem Finger hinein, um mir den Abszess und alles Übrige ganz genau zu zeigen.
»Das ist nicht der Zahnarzt, Mama. Das ist der Rechtsanwalt. Möchtest du noch ein Bonbon?«
So ging es noch mindestens eine halbe Stunde, während der mich die Alte noch vier oder fünf Mal fragte, ob ich der Sohn von Marietta oder der Neffe von Signora Marzulli sei. Und vor allem, ob ich verheiratet wäre.
Wenn sie Letzteres fragte, blinzelte sie ihrer Tochter jedes Mal verschlagen zu.
Endlich kam mir die rettende Idee.
Ich würde diese Klage gern für sie aufsetzen, meinte ich. Was da in ihrem Haus vor sich gehe, sei wirklich ein Skandal. Dem müsse man so schnell wie möglich einen Riegel vorschieben, und das würden wir auch tun. Es gäbe nur noch eine kleine Formalität zu erledigen. Um die Klage einreichen zu können, bedürfe es nämlich einer Vorauszahlung – ich überlegte, wie hoch die Zahl sein musste, um sie wirklich abzuschrecken -, sagen wir mal, fünftausend Euro. Das schreibe das Gesetz leider vor, log ich und bat Signora Pappalepore junior, diesen Betrag bei mir zu entrichten, um loslegen zu können. Möglichst in bar. Ein Scheck ging auch, aber es musste sofort sein.
Die Junge nahm einen ausweichenden Gesichtsausdruck an. Bedauerlicherweise hatte sie ihr Scheckheft nicht dabei und so viel Bargeld natürlich auch nicht. Ich sagte, dann müsse sie mir das Geld eben morgen, spätestens übermorgen vorbeibringen. Und während ich das sagte, versuchte ich, wie ein geldhungriger Betrüger auszusehen. Wie einer, vor dem man so schnell wie möglich weglaufen musste, um niemals wiederzukehren.
»Machen wir einen Termin für morgen aus?«, meinte ich mit gieriger Miene.
»Morgen oder übermorgen, ich rufe Sie an.« Jetzt war sie wirklich besorgt. Sie wähnte sich in den Händen eines skrupellosen Spekulanten und wollte fliehen, so schnell es ging.
»In Ordnung, aber denken Sie dran, spätestens übermorgen.«
Sie versicherte mir, dass sie sich spätestens übermorgen bei mir melden würde. Und jetzt bitte sie mich, sie zu entschuldigen, sie müssten wirklich gehen, auch weil ihre Mutter dringend eine frische Windel bräuchte.
Na, dann wollte ich sie aber wirklich nicht länger aufhalten. Guten Heimweg. Und auch Ihnen noch einen schönen Abend, Signora.
Nein, ich bin nicht der Sohn von Marietta und auch nicht der Neffe von Signora Marzulli.
Und dem Himmel sei gedankt, dass ich nicht Ihr Zahnarzt bin.
20
E s war an diesem Morgen klirrend kalt in Foggia, und deshalb war es sehr angenehm, das warme Restaurant mit seinen verheißungsvollen Gerüchen zu betreten. Colaianni war schon da, er saß an einem Tisch und bei ihm zwei Individuen, die nicht besonders vertrauenerweckend aussahen: seine beiden Leibwächter.
Wir umarmten uns, tauschten die unter betagten Gymnasiasten üblichen
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