Guido Guerrieri 04 - In ihrer dunkelsten Stunde
Gruppe von Leuten, die eine gewisse Menge kaufen wollen, um sie untereinander aufzuteilen und zu konsumieren. Sie sammeln Geld ein, und einer von ihnen wird beauftragt, zum Pusher zu gehen. Der Oberste Gerichtshof hat übrigens entschieden, dass der Erwerb von Drogen für eine Gruppe von Leuten keine Straftat ist, und … aber das brauche ich Ihnen ja nicht zu erzählen. Gut, dieser junge Mann kauft also für seine Gruppe ein, und ihm wird klar, dass er dabei auch etwas verdienen kann. Er fängt an, auf eigene Rechnung einzukaufen und dann den Stoff an seine Freunde weiterzuverkaufen, wobei er ein bisschen was draufschlägt. Bald spricht es sich herum: Dieser Typ kann einem schnell etwas besorgen, wenn man etwas braucht. Mit der Zeit baut er sich einen Kundenstamm auf, er lernt verschiedene Händler kennen, auch außerhalb der Stadt, was immer schlauer ist, und schon ist er zum Dealer geworden.«
»Ist es bei dir auch so gelaufen?«
»Im Grunde ja. Bei mir waren allerdings auch noch andere Dinge im Spiel, die für Sie nicht wichtig sind.«
Ich nickte verständnisvoll, um nicht dumm dazustehen, auch wenn ich genau so weit war wie vorher. Einen Augenblick fühlte ich mich wie ein hemmungsloser Aufschneider. Dann verging dieses Gefühl wieder und hinterließ einen leichten Ekel, der sich hartnäckig im Hintergrund hielt.
»Gut, Damiano, ich danke dir. Ich versuche, mir ein Bild von diesem Typen zu besorgen, und dann melde ich mich wieder.«
»In der Zwischenzeit überlege ich weiter, wer das sein könnte, und frage ein wenig herum.«
»Aber bitte, ohne dich damit in Gefahr zu bringen.«
Quintavalle schenkte mir ein Lächeln, stand auf und verabschiedete sich.
Das Lächeln bedeutete, dass er meine Besorgnis zu schätzen wusste, sie aber als vollkommen überflüssig betrachtete. Sich möglichst nicht in Gefahr zu bringen, gehörte zu seiner Lebensweise und zu seinem Beruf, und das schon seit vielen Jahren.
20
J etzt stellte sich mir die Frage, wie ich Fornelli nach einem Foto von Cantalupi fragen sollte. Dieses Unternehmen erschien mir über alle Maßen schwierig.
In dem Moment, in dem ich ihn darum bat, würde er mich fragen, wozu ich es brauchte. Ich wollte ihm aber nicht verraten, was ich vorhatte. Wenigstens nicht gleich. Vielleicht war es mir auch unangenehm, ihm zu sagen, dass ich im Dealer-Milieu herumstocherte, in dem ich mich offensichtlich gut auskannte. Vielleicht wollte ich auch nicht, dass meine Ambitionen als Privatdetektiv dazu führten, dass jemand diffamiert wurde, der womöglich gar nichts mit der Sache zu tun hatte, weder mit Manuelas Verschwinden noch mit dem Drogenhandel. Vielleicht missfiel mir die Vorstellung, dass er, um die Bitte zu rechtfertigen, zu Manuelas Eltern ging und ihnen sagte, es gebe gute Nachrichten, und dass dieser Bluthund von Guerrieri auf der richtigen Spur war, so dass sie sich falsche Hoffnungen machten. Vielleicht wollte ich aber auch einfach nicht, dass Quintavalle, wenn er das Foto sah, mir sagte, dass er den Typen nicht kannte, was meine brillanten Ermittlungen in diese Richtung schlagartig beenden würde.
Also ließ ich einfach das Wochenende vergehen und rief niemanden an.
Am Montag kam ich vom Gericht zurück, wo ich länger als geplant bei einer Verhandlung gewesen war. Es war bereits zu spät fürs Mittagessen, aber noch zu früh für den ersten Termin. Also ging ich zu Feltrinelli, trank einen Cappuccino und kaufte mir ein Buch. Es hieß Die Geheimnisse von Bari , und der Klappentext verhieß einige der spannendsten Großstadtlegenden aus Bari, mit Bezug auf die unheimlichen historischen Hintergründe, die sie hervorgebracht hatten.
Als ich aus der Buchhandlung kam, hatte ich noch eine halbe Stunde Zeit. In diesem Moment kam Herr Ferraro, Manuelas Vater, auf mich zu.
Er ging energischen Schrittes und entschlossenen Blickes direkt auf mich zu, und einen Augenblick lang dachte ich, er wäre gekommen, um mich zu treffen und mir etwas zu sagen. Ich verzog das Gesicht zur Begrüßung und spannte die Armmuskeln an, um ihm die Hand zu reichen.
Ferraro jedoch sah direkt durch mich hindurch und ging rasch an mir vorbei. Er hatte mich nicht gesehen, und seine Miene, die auf den ersten Blick wach gewirkt hatte, aber in Wirklichkeit zerstreut und abwesend war, ließ mich erschauern.
Ich drehte mich um, sah ihm nach und ging ihm dann, ohne zu überlegen, hinterher.
Anfangs bemühte ich mich noch, nicht bemerkt zu werden, doch bald wurde mir klar, dass er
Weitere Kostenlose Bücher