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Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder

Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder

Titel: Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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aber so etwas hatte es ja sogar in der Bundesrepublik Deutschland gegeben, als der alte Nachrichtendienst, die Organisation Gehlen , vom Sicherheitsdienst, dem Verfassungsschutz, praktisch gesprengt wurde. In der Hauptsache ging es offenbar um verschiedene juristische Fragen. Gesetzen und Verordnungen zufolge sollte die Polizei eine Art Exklusivrecht auf die Ausübung polizeilicher Gewalt haben. Falls die schwedische Regierung diese Grundsätze mißachtet hatte, mußte es sich um Gesetzesbruch handeln, mit der Folge, daß irgendein Gesetzesbrecher in der Regierung saß. Und der bürgerlichen Opposition zufolge sollte dieser Mann jetzt aufgespürt und vor Gericht gestellt werden. In Teilen der bürgerlichen Presse - Carl fiel es nicht schwer zu erraten, in welchen - wurde auch betont, die Regierung habe in Konspiration mit ihrem exklusiv vom Kabinett kontrollierten militärischen Nachrichtendienst die Jagd der Polizei auf ausländische Terroristen sabotiert. Die Schuld daran wurde dem schwedischen Außenminister gegeben, denn von diesem wurde angedeutet, er sei daran interessiert, radikale Gruppen im Nahen Osten nicht zu verärgern.
    Die publizistische Hauptsache jedoch, die der kleinen Operation so groteske Proportionen verlieh, war, wie Carl zunehmend peinlich berührt feststellte, seine eigene Teilnahme. Diese Tatsache verlieh dem Ereignis irgendwie einen romantischen Glanz sowie ungeahnte Möglichkeiten zu Spekulationen und anderen Geschichten. Ja, diese anderen Geschichten über Carls verschiedene Vorhaben im Lauf der Jahre. Das, was bekannt war, wurde in einem gesonderten Artikel rekapituliert. Was nicht so schlimm gewesen wäre, wenn nicht auch der Entführungsversuch in der Air France 129 von Kairo nach Paris mit Fotos aufgeführt worden wäre. Jetzt hatte Carls Teilnahme irgendwie eine Vorstellung von overkill geweckt, als wäre die schwedische Regierung mit Kernwaffen gegen ihren Sicherheitsdienst vorgegangen. Denn warum hätte man einen derart hochgestellten Offizier mit der Aufgabe betrauen sollen, wenn es sich nur um einen einfachen Zugriff ohne besondere Komplikationen handelte, wie ein anonymer Sprecher des schwedischen Generalstabs behauptet hatte?
    »Ist es wahr?« fragte Tessie, sobald er zu Ende gelesen hatte.
    »Du weißt doch, wie es mit Zeitungen ist«, stöhnte er. »Es ist wahr, aber gleichzeitig irgendwie unwahr. Wir sind ein kleines Land und haben eine kleine Operationsabteilung, in der ich der einzige Beamte bin, der in der Öffentlichkeit bekannt ist. Aus diesem Grund war es natürlich praktisch, daß ich das Unternehmen leitete. Denn ich kann mich in der Öffentlichkeit blicken lassen und mit Leuten sprechen, ohne eine geheime Identität zu verraten. Wie du siehst, gibt es ja schon Fotos von mir. Das war unser Gedankengang. Wir hatten keine Ahnung davon, wir könnten mit ›Kernwaffen‹ gegen die Sicherheitspolizei vorgehen. Wir haben schließlich nur drei kleine Schurken eingesammelt.«
    »Und das andere, daß die Regierung die Möglichkeiten des Sicherheitsdienstes sabotiert, Terroristen festzunehmen, indem sie dich und deine Kumpels als Torpedos einsetzt?«
    »Ach was! Nur ein paar liberale Politiker und dieses Sudelblatt Expressen haben es sich in den Kopf gesetzt, Kurden seien das gleiche wie Araber. Araber mögen sie nämlich nicht.«
    Carl zögerte. Es würde ihn viel Zeit kosten, das Verhältnis von Expressen und der Volkspartei zu den Arabern zu erklären sowie das Kompetenzniveau der schwedischen Sicherheitspolizei. Ohnehin war es das völlig falsche Gesprächsthema, denn es bedeutete das genaue Gegenteil von der Freiheit, die er sich von dieser Reise erhoffte. Tessie war Juristin, überdies amerikanische Juristin, und als solche würde sie sicher eine ganze Menge Fragen zu einem Ereignis stellen, das etwa einem Schlag der CIA gegen das FBI gleichkam.
    Er wurde gerettet, wie er glaubte, als eine Stewardeß zu ihnen trat und sich mit einem sehr breiten Lächeln herunterbeugte.
    »Monsieur ‘amilton, willkommen an Bord. Es ist eine Ehre für die Air France, daß Sie uns erneut beehren«, grüßte sie, und Carl lächelte angestrengt zurück.
    Doch damit war die Peinlichkeit noch nicht zu Ende. Auf Einladung des Kapitäns wurden Carl und Tessie jetzt aufgefordert, in die Erste Klasse zu wechseln. Er wollte sich zunächst weigern, ahnte aber, daß das nur zu neuen Aufforderungen führen würde, schlimmstenfalls über Lautsprecher vom Kapitän persönlich. Widerwillig, als hätte man

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