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Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder

Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder

Titel: Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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sie aus der Ersten in die Touristenklasse verfrachtet, folgten sie der Stewardeß nach vorn.
    Dann bekamen sie Champagner, russischen Kaviar und Straßburger Gänseleber und wurden angestarrt. Als die Maschine den Ärmelkanal hinter sich hatte, teilte der Kapitän über Lautsprecher stolz mit, es sei eine besondere Freude für die Air France, Fregattenkapitän Carl Gustaf Gilbert ‘amilton erneut befördern zu können. Carls Vornamen waren in der Herald Tribune korrekt wiedergegeben worden, vielleicht auch in französischen Zeitungen. Man hoffe jedoch, daß es diesmal keinen Entführungsversuch geben werde. Trotz der beruhigenden Anwesenheit des geehrten Fluggastes.
    Nach einer solchen Durchsage ist meine Anwesenheit wohl nicht mehr sonderlich beruhigend, dachte Carl sauer. Tessie versuchte eine Zeitlang, ihn dazu zu bringen, die Sache von der humorvollen Seite zu sehen. Na schön, die Leute starrten sie hier und jetzt an, aber sobald die Maschine in L. A. gelandet war, würden sich alle Leute zerstreuen und schnell von Kalifornien verschluckt werden.
    Carl ließ sich allmählich beruhigen. Zumindest versuchte er es. Er versuchte sogar, die Stewardeß anzulächeln, die ihn fragte, ob er seinen Drink geschüttelt oder gerührt wolle. Er lehnte einen Martini ab und bat statt dessen um mehr Champagner.
    Zum allerersten Mal, soweit er sich zurückerinnern konnte, fiel es ihm schwer, in einem Flugzeug einzuschlafen. Er redete sich ein, es würde so werden, wie Tessie gesagt hatte: die Reise könnte beginnen, die Reise in eine andere Zeit, sobald sie in Kalifornien von Bord gingen.
    Carl fühlte sich etwas unbeschwerter, als sie sich nach der Ankunft auf dem Flughafen unter Menschen begeben und zum Schalter von Avis gehen konnten, um danach auf den Autobahnen nach Süden zu verschwinden. Es war Frühsommer, nach schwedischen Maßstäben Hochsommer, und sie tauchten in der angenehmen Anonymität unter.
    Ihr Hotel in San Diego hieß Horton Grand. Es war im Gründerzeitstil eingerichtet und lag nur einen kurzen Fußweg vom Pier House Café entfernt. Das war das einzige, worum er sein Reisebüro gebeten hatte. Im Körper steckten neun Stunden Zeitunterschied. In San Diego war es Nachmittag, in Stockholm jedoch schon später Abend. Sie packten ihre Sachen aus, zogen sich Jeans und dünne Sweatshirts an und spazierten Hand in Hand zum Anfang der Reise hinunter, denn unbewußt fing ihre Reise jetzt wieder von vorn an, am Pier House Café.
    Das Haus sah noch genauso aus wie vor einigen Jahren. Graues Schindeldach, Wände aus unbehandeltem Holz oder mit Silbernitrat behandeltem Holz, so daß es unbehandelt aussah; ein einfaches Haus, das an jeder beliebigen Küste der Welt hätte stehen können, wäre da nicht ein Detail gewesen, das den entscheidenden Hinweis gab: Die Wetterfahne oben auf dem Dach hatte die Form eines Pottwals.
    Auf den Tischen immer noch blau-weiß karierte Tücher. Das war natürlich perfekt, gerade die Illusion von stillstehender Zeit, nach der sie suchten. Es war so etwas wie die happy hour , und es gab nur wenige Gäste, so daß sie im Obergeschoß einen Tisch am Fenster wählen konnten.
    Draußen vor Coronado lag diesmal nur ein Flugzeugträger. An Deck weder Corsairs noch F-14. Tessie bestellte einen bestimmten kalifornischen Chardonnay und Grillspieß mit Pilgermuscheln, Fisch und Garnelen für beide. Das hatten sie auch beim letztenmal bestellt, und es war wie eine Beschwörung, die ihn amüsierte und zugleich erschreckte. Er wollte der Fortsetzung aus dem Weg gehen; damals hatte er um ihre Hand angehalten, und sie hatte gesagt, hier und jetzt. Das war in der Zeit vor Eva-Britt gewesen. Es wäre ein einfacher Entschluß gewesen, wenn es da nicht die Operation Big Red gegeben hätte, aus der er natürlich nicht einfach aussteigen konnte, nicht einmal Tessies wegen. Zumindest hatte er damals so argumentiert. Heute hätte er es vielleicht nicht getan, aber heute war da Eva-Britt.
    »Damals lagen da draußen zwei Flugzeugträger«, sagte sie, als hätte sie wie gewohnt seine Gedanken gelesen oder zumindest seine Gefühle erahnt.
    »Ja«, sagte er zögernd, »mit brennenden Laternen und Tomcats an Deck. Es sah aus wie die sprungbereite Supermacht.«
    »Du sagtest damals so etwas.«
    Carl fühlte, wie Panik in ihm aufstieg. Es gab nichts, was er dagegen tun konnte. Da draußen glitzerndes Tageslicht über grünblauem Wasser, und hier gewöhnlicher menschlicher Umgang, von dem er spürte, daß er ihn nicht

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