Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder
er auflegte, fühlte er sich merkwürdig beschämt. Nicht weil er sie so selbstverständlich belogen hatte. Immerhin war es eine dienstliche Lüge. Nein, da war noch etwas anderes, was er schwer in Worte fassen konnte. Es kam ihm vor, als hätte ihm sein eigener Tonfall nicht gefallen, als er mit ihr gesprochen hatte.
Er schob diese Überlegungen beiseite, da sie in eine unangenehme Richtung gingen. Vielleicht lag es auch daran, daß er einkaufen mußte. Vielleicht trug beides zu seiner Unlust bei.
»Beata, könntest du folgendes tun«, sagte er unnötig förmlich, als er den Knopf auf der Gegensprechanlage drückte, »Leutnant Lundwall und Leutnant Stålhandske sollen sich auf der Stelle bei mir einfinden. Lundwall ist wahrscheinlich im Labor, Stålhandske zu Hause. Beide haben einen Piepser.«
Er beendete das Gespräch, sobald er Beatas Bestätigung hatte, ohne auch nur danke zu sagen. Sie würde dieses brüske Benehmen sonderbar finden. Und das war es ja auch.
Er versuchte sich auf ihren Namen zu konzentrieren und sich zu erinnern, was er bedeutete. Es war etwas Schönes, die Anbetungswürdige oder etwas in der Richtung. Früher einmal hatte man den Namen auch schön gefunden, aber heute klang er lächerlich.
Und dann war er wieder beim Thema. Jönsson-Hamilton.
Sie war im sechsten Monat. Er wollte sie heiraten, obwohl er nicht recht erklären konnte, weshalb das so wichtig war. In Schweden braucht man nicht zu heiraten. Juristisch bleibt es gleich. Wenn sie nicht heirateten, blieb sie Jönsson und er Hamilton. Beide würden selbständig und selbstverantwortlich bleiben. Dafür sprachen einige starke Argumente, denn »Wer will schon so ein gottverdammtes Nationalsymbol heiraten« oder »Frau Hamilton kann jede sein, aber wer kann Frau Carl Gustaf Gilbert Hamilton sein und gleichzeitig Polizistin?«
Sie liebte ihren Job dort unten im Dreck, und er liebte sie dafür. Nicht nur deswegen, wie er sich einredete, aber doch zu einem großen Teil deswegen, weil sie so sehr an das Gute in ihrer Arbeit glaubte. Das taten vielleicht nicht allzu viele Bullen, aber andererseits waren auch nicht viele Bullen freikirchlich.
Als die beiden eintraten, saß er am Schreibtisch und rollte einen Bleistift zwischen Daumen und Zeigefinger. Sie erschienen gleichzeitig.
Ihr Umgang war nie besonders förmlich gewesen, obwohl sie Militärs waren und er zwei Streifen mehr am Ärmel hatte als sie. Sie waren immerhin keine gewöhnlichen Militärs und überdies für immer zusammengeschweißt, wie sie sich manchmal sagten. Der Grund dafür war die gemeinsame Nähe zum Tod.
Doch jetzt standen sie vor ihm, als wären sie Leutnants und er Fregattenkapitän.
»Setzt euch«, sagte er mit einer Handbewegung.
Sie setzten sich nervös, als ahnten sie schon, worum es ging. Was natürlich auch der Fall war.
»Nun?« sagte Carl.
»Was nun?« fragte Joar Lundwall zurück, während er eine Falte seiner Hosen zurechtrückte.
»Das hier«, sagte Carl und warf die Abendzeitungen mit den knalligen Schlagzeilen vor sie auf die Tischplatte. »Wie es scheint, sind die Herren gestern abend ausgegangen und haben sich amüsiert?«
»Na ja. Wir hatten einiges zu besprechen. Dann gingen wir ins Reisen und haben eine verdammt teure und verdammt gute Mahlzeit gegessen«, erwiderte Åke Stålhandske.
»Und dann?« schnitt ihm Carl das Wort ab, um Ausflüchte in Richtung Speise und Trank zu unterbinden.
»Nun. Wir haben noch ein Bier getrunken und sind dann nach Hause gegangen. Jeder zu sich, sozusagen«, fuhr Stålhandske mit gesenktem Blick fort, als säße er vor seinem Rektor im Gymnasium und löge das Blaue vom Himmel herunter.
Carl seufzte.
»Ich kann euch natürlich bitten, mir eure Hände zu zeigen. Ich kann Leutnant Stålhandske befehlen, mir sein linkes Knie zu zeigen, und Leutnant Lundwall, mir das rechte vorzuführen. Außerdem könnte ich die Unterseite eurer Ellbogen inspizieren, da die Abendpresse zwar ahnungslos, aber doch äußerst vielsagend die jeweiligen Körperteile der Herren beschrieben hat. Aber das wird doch nicht nötig sein, nehme ich an?«
Beide schüttelten zustimmend den Kopf.
Carl gab sich Mühe, all seinen Zorn zusammenzunehmen.
»Ihr müßt vollkommen den Verstand verloren haben«, begann er nach einer demonstrativ langen Pause. »Wenn ich mal einen Vergleich ziehen darf, einen kurzen Vergleich, ist es etwa so, als wärt ihr bei einem Jägergeschwader und als hätte man euch im Reisen schlecht behandelt. Mieser Service
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