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Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder

Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder

Titel: Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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damals nicht so empfunden, sondern in ihrem damaligen Bewußtsein nur als ungewöhnlich starke Jugendverliebtheit wahrgenommen, als etwas, was es nur in der Gegenwart gibt. Doch dieses Jetzt war dann zu Erinnerungen und zu integrierten Teilen seines Ichs geworden. Carl wollte wieder zurück in diese Zeit, erklärte er ihr, nicht allein zu ihr, obwohl das natürlich das Wichtigste war. Er wollte aber auch zu sich selbst zurück, zu dem, was und wie er damals gewesen war.
    Als ob es möglich wäre, die Uhr zurückzudrehen und alles wieder zurechtzurücken.
    Tessie sagte nicht viel. Es war ihr aber deutlich anzumerken, daß sie Trauer empfand. Als sie langsam mit dem Kopf nickte, sah er nicht mehr viel von ihrem so typischen Lächeln und ihren weißen Zähnen.
    Es war ein Gespräch, das nur auf zweierlei Weise enden konnte, und sie entschieden sich für beide Möglichkeiten. Er hatte sich weit mehr verspätet, als er gedacht hatte, als er nach Hause ging. Es war eine Juninacht wie in einem romantischen Film für Touristen, und während des ganzen Spaziergangs zurück zur Gamla stan zwitscherten Amseln.
    Er hätte ein Taxi nehmen sollen. Aber er mußte in der Sommernacht die Haare trocknen lassen, damit er zu Hause keinen frisch-geduschten Eindruck machte.
    Sie schlief. Sie lag auf dem Rücken. Ihr Bauch ragte wie ein kleiner Berg unter der Decke empor, und sie schnarchte. Das hatte vermutlich etwas mit den Veränderungen ihres Körpers zu tun.
    Er kroch an ihrer Seite vorsichtig unter die Decke, legte ihr die Hand auf den Bauch und spürte die Bewegungen des Kindes.
    Er fragte sich, wie jemand ruhig und schwer schlafen konnte, wenn sich ein anderes Lebewesen im eigenen Körper bewegte. Aber der Mensch kann sich an alles gewöhnen und an alles anpassen, dachte er.
    Nein, nicht an alles.
    Soviel sie wußten, hatten sie jetzt alles, was sie brauchten, um innerhalb einer Viertelstunde die Endphase einzuleiten.
    Joar Lundwall und Åke Stålhandske machten sich zunächst Notizen, bis die Kugelschreiber glühten, während sie von Zeit zu Zeit kontrollierten, daß alles auf Band aufgenommen wurde. Nach einiger Zeit warf Åke Stålhandske seinen Kugelschreiber auf den Tisch, legte die Hände in den Nacken und streckte sich träge.
    »Wirklich, verdammt praktisch, daß sie es schon geschafft haben, alles Wesentliche zu sagen, bevor sie blau sind«, sagte er und zwinkerte seinem Freund und Kollegen zu.
    Die beiden Norweger dort drüben stritten sich wegen ihrer Morde. Die Stimme, die sie beide von ihren früheren Bändern als Haugens identifizieren konnten, äußerte heftige Reue. Es schien ihn besonders zu stören, daß der andere sein Opfer gefoltert hatte und dann auch noch eine Spur zu dem Ort gelegt hatte, an dem das entscheidende Ereignis stattgefunden hatte. Polizisten waren ja nicht immer dämlich, nicht mal schwedische Bullen.
    Der andere versicherte, gerade schwedische Polizisten seien Dummköpfe, und begann, von seinen letzten Rundfahrten in Schweden zu erzählen, wo man sich sogar in den Kopf gesetzt hatte, das Ganze hänge irgendwie mit einer lesbischen Justizministerin zusammen.
    Åke Stålhandske und Joar Lundwall warfen einander einen vielsagenden und erschreckenden Blick zu und lauschten dann intensiv. Aber das Gespräch dort drüben wechselte bald zu Gott, Strafe und Verdammnis und ähnlichem.
    »Lesbische Justizministerin«, stöhnte Åke Stålhandske und atmete laut aus. Er tat, als wischte er sich den Schweiß von der Stirn.
    »Er hat es also getan. Die maskirowka ist offenbar in Gang«, stellte Joar Lundwall mit einem fast traurigen Gesichtsausdruck fest.
    Sie hatten ja nur daran mitgewirkt, die ersten Dokumente herzustellen. Sie hatten sozusagen nur den Rahmen geliefert, den Carl selbst mit Inhalt füllen wollte. Sie hatten das Gefühl gehabt, stark vermintes Gelände zu betreten, aber es war ihnen dennoch nicht eingefallen, das Tun ihres Chefs in Frage zu stellen. Nicht nur aus dem einfachen Grund, daß sie Kapitänleutnants waren und er Fregattenkapitän. Es gab auch einleuchtende und gewichtige Gründe, die darüber hinausgingen.
    »Würde gern wissen, ob man hier draußen am Eismeer Expressen bekommen kann«, überlegte Åke Stålhandske. »Es ist bestimmt interessant zu sehen, was für eine Suppe er ihnen am Ende eingebrockt hat. Lesbische Justizministerin, das ist nicht schlecht.«
    »Wir werden es schon erfahren, und je später, um so besser«, sagte Joar Lundwall. »Wollen wir jetzt die Antenne

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