Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder
das für die Polizei von Interesse sei, und solche Dinge.«
»Vielleicht haben sie nur ein paar Spionage-Aspekte oder so etwas herausgefunden.«
»Ja, das habe ich auch gedacht, daß Mord nicht ihr Fall ist. Jedenfalls gibt es hier eine Menge zu lesen.«
»Vor allem eine Spur zu diesem af Klintén, das ist wohl das, wonach wir in erster Linie suchen«, stellte Rune Jansson fest und ging daran, die Akten untereinander aufzuteilen.
Als sie in den Akten blätterten, entdeckten sie, daß die Militärs auf der richtigen Fährte gewesen sein mußten. Hier gab es Material über sowohl den einen als auch den anderen, das sie selbst auf ganz anderen Wegen gefunden hatten als die Militärs, wie zu vermuten war.
Das sollte ihnen einen gewissen Vorsprung bieten. Nicht im Augenblick, aber in ein paar Tagen sollte es ihnen vernünftigerweise gelingen, in dem Rennen die Führung zu übernehmen.
»Du hast dich vielleicht trotzdem in diesem Hamilton geirrt«, sagte Kapitän Seebär und entdeckte gleichzeitig einen Packen Verhöre, die einen gewissen Bootsmann Andersson betrafen, die er seinem Stapel zuordnete.
»Man kann nie wissen«, sagte Rune Jansson. »Man kann nie wissen, was diesen Typen so einfällt. Ihre Achtung vor Gesetz und Recht scheint mir nicht gerade übertrieben zu sein.«
Als die Verteilung erledigt war, klemmte sich Kapitän Seebär seine Ordner unter den Arm und ging zufrieden über den Flur zu seinem Zimmer. Er sah auf die Uhr. Eine Möglichkeit war natürlich, den Krempel mit nach Hause zu nehmen und ihn nach dem Abendessen zu lesen. Das war besser, als wieder anzurufen und zu sagen, er könne nicht nach Hause kommen, weil er zuviel zu tun habe.
Rune Jansson war schon zu dem gleichen Entschluß gekommen. Seine Aktentasche war prall gefüllt, und zwei Ordner hatte er sich unter die Arme geklemmt, als er das Licht in seinem Zimmer löschte und der Abteilungssekretärin sagte, er gehe für heute nach Hause.
Sie warf ihm einen langen, fragenden Blick zu. Das hatte sie noch nie erlebt, daß er als erster das Büro verließ.
Von Narvik gebe es eine direkte Verbindung mit dem Wagen nach Vestvågøy, ja, also fast direkt, denn sie müßten nur zweimal kurz eine Autofähre nehmen, erklärte Roar Hestenes, als er Carl dabei half, das schwere und vielleicht etwas auffällige Gepäck im Kofferraum des Volvo zu verstauen.
»Tauchausrüstung«, erklärte Carl kurz.
Und ebenso knapp erklärte er dem, wie es ihm erschien, sehr entfernten Bekannten Roar Hestenes die kommende Operation; es war ein Bekannter aus einer anderen Zeit, aus der Zeit, als zumindest Carl selbst noch ein völlig anderer gewesen war.
Um des Überraschungseffekts willen wollten sie auf dem Seeweg kommen. Aber Hestenes, folglich die norwegische Sicherheitspolizei, würde trotzdem daran teilnehmen, da die Unterhaltung im Wohnwagen auf der anderen Seite des Fjords oder der Bucht mit bestem Empfang verfolgt werden konnte.
Mehr erklärte Carl nicht. Hestenes schien es zu akzeptieren, und sie beschlossen, schon im Herbst tatsächlich diese Hirschjagd zu Hause bei Hestenes im Vestlandet nachzuholen.
Carl schenkte seine Aufmerksamkeit der schwindelerregend schönen Landschaft. Er entschuldigte sich, er interessiere sich durchaus für die Jagd, sei aber noch nie hier oben gewesen. Er konnte kaum glauben, daß dies noch Skandinavien war. Er hätte auf die Antarktis getippt oder vielleicht auf das äußerste Nordamerika, aber nicht auf das Nachbarland.
Während Carl sich zurücklehnte und das Gesicht hinter seiner dunklen Brille verbarg, erzählte Roar Hestenes von Lofoten, von der Seelachsfischerei und bekannte schließlich, wie er sich damals in Oslo in den Kopf gesetzt habe, Carl zur Jagd einzuladen. Denn, erklärte er als Pointe der Geschichte, er habe damals geglaubt, Carl könne nicht schießen.
»Nein«, sagte Carl, »es dauerte noch ein paar Jahre, bevor du erfahren hast, wer ich bin. Aber jetzt weißt du es.«
Da war etwas im Tonfall, was allen Gesprächen ein Ende machte.
Einige Stunden später ging Hestenes allmählich auf, worum es ging, als der Zeitpunkt des Angriffs näherrückte. Inzwischen stellte er sich dieses geplante Verhör als Angriff vor.
Joar und Åke, die er bei den gemeinsamen Bemühungen der Vorwoche auf dem Weg durch Norwegen als offene und leichtlebige Menschen kennengelernt hatte, schienen sich zu verwandeln, sobald ihr Chef, denn das war er ja offenbar, sich einfand.
Übrigens änderte sich bei allen dreien der
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