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Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder

Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder

Titel: Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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waren, und in späteren Jahren hatten sie sich immer im Sommer getroffen, da Haugen im Urlaub nach Hause fuhr. Und irgendwann hatte das eine das andere ergeben.
    Da Pettersen peinlicherweise zehn Jahre bei der Hafenpolizei in Svolvaer arbeitete, hatte er ziemlich genaue Vorstellungen davon, wie man sich in alten Archiven und Gerichtsakten zurechtfindet, und als er vor ein paar Jahren zufällig eine Zeitungsnotiz gelesen hatte, daß schwedisches Aktenmaterial aus dem Krieg jetzt größtenteils nicht mehr der Geheimhaltung unterlag, war die Idee geboren worden. Sie hatte dann zu der Tragödie geführt.
    Jon August Haugen hatte zunächst nicht daran geglaubt, daß es Wirklichkeit werden würde. Aber dann hatte er sich genötigt gefühlt, seinen Teil zu erfüllen, nachdem Pettersen den einen der beiden noch lebenden Informanten liquidiert hatte, den eigentlichen Mörder ihrer Väter.
    Haugen erzählte, wie er gehofft hatte, geschnappt zu werden, daß er sich überhaupt nicht vorbereitet hatte, daß er bei der Autofahrt über die Grenze seinen automatischen Karabiner fast offen auf dem Rücksitz liegen ließ, sogar in seinem eigenen Wagen, doch der Zoll winkte ihn einfach durch; das sah er als eine Art Fingerzeig Gottes. Wie die Hälfte seiner nordnorwegischen Verwandtschaft war er sehr religiös.
    Er hielt an, nahm das Gewehr an sich und legte eine türkische Patrone ein, die er sich in seiner Dienstzeit in einer UNO- Einheit im Nahen Osten beschafft hatte. Dann gab er nur einen einzigen Schuß ab und hoffte immer noch, geschnappt zu werden, als er sich in den Wagen setzte und direkt in Richtung Karlstad und norwegischer Grenze fuhr. Doch auch diesmal machte sich niemand die Mühe, einen Blick in seinen Wagen zu werfen.
    Folglich sah er es auch als Werk Gottes an, als plötzlich drei schwarzgekleidete Rächer aus dem Meer vor ihm auftauchten.
    Carl und vor allem Kapitänleutnant Stålhandske waren der Meinung, daß es eine traurige und in mancher Hinsicht rührende Geschichte war. Und es war unter ihnen zu einigen langen Diskussionen deswegen gekommen.
    Carl hatte jedenfalls einen Vorschlag formuliert, den er Mathiesen jetzt vorlegte.
    Zusammengefaßt sei die Lage etwa wie folgt, soweit es den schwedischen Nachrichtendienst betreffe.
    Die Morde waren in technischer Hinsicht aufgeklärt. Die militärische Sicherheit Schwedens war nicht mehr bedroht. Und es gab keinerlei Anlaß, sich um ein eventuelles juristisches Nachspiel zu kümmern. Das würde für einige schwedische überlebende Verwandte nur zu Kummer und Elend führen, denn man konnte sich leicht vorstellen, was bei einem eventuellen Prozeß alles ans Licht käme.
    Die militärischen Berichte des schwedischen Trupps würden beim Nachrichtendienst bleiben und geheimgehalten und nicht an die schwedische Polizei weitergegeben werden.
    »Ich würde also vorschlagen, daß du meine Berichte einfach archivierst und dann das Ganze vergißt«, beendete Carl seine nachdenkliche Zusammenfassung. »Wir haben keinerlei Interesse daran, die Sache weiterzuverfolgen. Haugen-Skauen und Pettersen sind für niemanden mehr eine Bedrohung. Da ist niemand mehr, über den sie herfallen könnten. Außerdem haben sie wohl kein Interesse daran, mit der Geschichte an die Öffentlichkeit zu gehen. Haugen glaubt ja sogar, daß er durch mich so etwas wie die Absolution Gottes erhalten hat.«
    »Ja, mag schon so sein«, schnitt ihm Mathiesen das Wort ab, »aber jetzt bittest du mich, Gott zu spielen. Das ist unmöglich.
    Ich bin nämlich Polizist, und Mord ist etwas, was ganz besonders verboten ist. Auch wenn es nur um Schweden geht und sogar schwedische Nazi-Sympathisanten, die wiederum Verbrechen begangen haben, ist es verboten, sie zu ermorden.«
    »Einer der Mörder ist aber besonders ehrenwert.«
    »Ja, könnte man meinen. Aber dann muß er es vor Gericht geltend machen. Ich kann zwei Mörder nicht einfach vergessen. Selbst wenn ich es wollte.«
    »Willst du es?«
    »Ja, das könnte man sagen.«
    Carl erhob sich. Nicht um zu gehen, sondern weil er sich etwas Bewegung machen wollte, während er nachdachte. Er stand eine Zeitlang am Fenster und sah auf das grelle Licht und die blitzenden Wasserreflexe im Oslofjord. Iver Mathiesen wartete, äußerlich ruhig, doch in ihm herrschte Aufruhr. Er war bewegt, tief bewegt, wie es fast jeder Norweger sein würde.
    »Kann es sein, daß du etwas Druck von außen brauchst, um unseren ehrenwerten Mörder zu retten?« fragte Carl schließlich. Er drehte

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