Gurkensaat
sind Sie ein Zeuge. Aber das kann sich natürlich ändern. Ich werde Ihnen Bescheid sagen.«
Flocke ließ sich diese kryptische Antwort durch den Kopf gehen. Offensichtlich kam er zu dem Ergebnis, Zusammenarbeit könne in diesem Fall weniger schaden als Verweigerung.
»Meine Beziehung zu Wolfgang war okay«, rang er sich schließlich ab.
»Okay?«
Aus dem Augenwinkel bemerkte Michael Wiener, dass der Kollege in Uniform, der mit im Raum saß, sich gelangweilt dem Ausblick durch das Bürofenster zuwandte. Er begann sich zu ärgern.
»Ja.«
Gut, dachte Wiener, also eben auf die Tour der kleinen Schritte. Hännedepperle, nannte man das in der Gegend, aus der seine Familie stammte. »Sie hatten eine Liebesbeziehung zu Wolfgang Maul?«
»Ja.«
»Gab es vielleicht einen Streit? Unstimmigkeiten?«
»Nein.«
»Seine Mutter wusste von der Beziehung?«
»Kennen Sie Frau Maul?«, fragte Körbel in einem Ton zurück, der andeutete, das reiche als Antwort.
»Flüchtig. Erzählen Sie mir von ihr.«
»Da gibt es nicht viel zu erzählen! Sie ist ein schrecklicher Drachen! Tat immer so, als sei Wolfgang ihr Besitz. Ich habe oft das Gefühl gehabt, gleich sagt sie: ›Dass mir aber keine Kratzer an den Jungen kommen!‹ Wenn sie von unserer Liebe gewusst hätte, wäre sie bestimmt Amok gelaufen. Aber sie ahnt ja nicht einmal etwas!« Körbel verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich zurück.
»Sind Sie sicher?«
»Klar.«
»Wenn Sie Wolfgang sehen wollten, wie haben Sie das arrangiert? Haben Sie ihn in einem Hotel getroffen?«
»Es war ein bisschen kompliziert. Aber es ging schon.«
Das einzige Geräusch in dem kleinen Raum war das schnelle, tiefe Atmen des Zeugen. Wiener warf dem Beamten im Hintergrund einen raschen Blick zu. Sollte Körbel versuchen, durch Hyperventilieren eine Ohnmacht oder einen Krampfanfall zu provozieren, würde der Kollege ihn problemlos auffangen können.
Doch dann wurde ihm bewusst, dass Flocke nur verzweifelt versuchte, seine Tränen zurückzudrängen. Und plötzlich tat ihm der junge Mann leid. Unbewusst tasteten seine Finger nach dem Verlobungsohrring. Wie viel einfacher war es doch für ihn und Marnie, ihre Beziehung zu leben. Sein zukünftiger Schwiegervater hatte wenigstens keine Probleme damit, seine Tochter einem Kriminalbeamten anzuvertrauen.
»Herr Körbel, wie wurden die Treffen arrangiert?«
»Meistens hat uns Mandy das Alibi verschafft.« Flocke lächelte traurig. »Aber natürlich war das nicht immer notwendig. Frau Maul konnte schon verstehen, dass Wolfgang auch gleichgeschlechtliche Freunde haben musste. Aber sie ist eine ausgesprochen misstrauische Seele – es war allemal besser, ihr keinen Grund für einen Verdacht in diese Richtung zu liefern.«
»Und wohin sind Sie mit Wolfgang gegangen?« Wiener hörte selbst, wie schwabbelig seine Formulierung war und spürte, wie er rot wurde.
»Ich habe eine kleine Wohnung.«
»Wenn Mandy Ihnen den nötigen Freiraum verschaffte, wie ist das abgelaufen?«
»Mandy hat bei Wolfi angerufen und hat Frau Maul gebeten, ihrem Sohn auszurichten, sie wolle ihn gern heute Abend noch sehen. Ob er wohl noch bei ihr vorbeischauen könne?«
»Und das hat funktioniert?« Wiener fiel es schwer, das zu glauben.
»Aber ja. Es hat funktioniert, weil Frau Maul unbedingt glauben wollte, Wolfgang und Mandy seien ein Paar.«
Davon, dass ihm dieses Arrangement immer einen schmerzhaften Stich versetzte, erzählte Flocke lieber nichts. Es kam ihm immer vor, als verursache dieses Telefonat eine deutliche Distanz zu Wolfgang, weil der es zuließ, dass seine Mutter sich über die angebliche Beziehung zu Mandy freute. Für ihn war das der größte Verrat an ihrer Liebe überhaupt. Aber das würde der Polizist wahrscheinlich ohnehin nicht verstehen, dachte er trotzig und starrte mit brennenden Augen auf die Tischplatte.
»Wer wusste davon, dass Wolfgang und Sie ein Paar waren?«
»Alle«, antwortete der Zeuge überhastet.
Michael Wiener gab ihm Zeit, diese Aussage noch einmal zu überdenken.
»Also gut«, räumte Körbel endlich ein. »Zwei der Wolfsfreunde. Sonst niemand. Es wäre zu gefährlich gewesen. Seine Mutter sollte es ja nicht zufällig von irgendjemandem beim Einkaufen erfahren.«
Wiener schwieg weiter.
»Es ist nicht so, dass wir Repressionen befürchtet haben. Nicht wirklich. Aber wenn man schwul ist, na, wie soll ich sagen?«, rang er um Worte, die beschreiben sollten, was seinem Gegenüber eher fremd war. »Sehen Sie, man
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