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Gurkensaat

Gurkensaat

Titel: Gurkensaat
Autoren: F Steinhauer
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hat sie was ganz anderes erzählt!«, wunderte sich Bettina. »Sie meinte, sie wolle ihren Mann endlich verlassen, falls er sie noch ein einziges Mal betrüge. Er solle finanziell bluten, sie würde einen Anwalt einschalten, der viel Erfahrung damit habe. Ihr Plan war, es so weit zu treiben, dass er die ›Gurklinge‹ verkaufen musste. Sein liebstes Kind!«
    »Ach, Quatsch. Da war sie bestimmt nur über irgendetwas verärgert. Wenn du über so viele Jahre hinweg von, mit und für die Gurke lebst, kannst du am Ende gar nicht anders, als das Imperium mit Zähnen und Klauen zu verteidigen und den Zusammenhalt zu ertrotzen. Außerdem bestand wohl auch keine große Gefahr mehr, mein Vater könne sich außerehelich vergnügen. Er ist schließlich auch nicht mehr der Jüngste.«
    Er griff nach seinem Weinglas, hob es an die Lippen und stellte es dann auf den Tisch zurück, ohne getrunken zu haben. »Aber vorhin, als er so kalt über sie gesprochen hat, da habe ich gedacht, es war einer ihrer größten Fehler, ihn nicht verlassen zu haben. Sie war mit ihm nie unbeschwert glücklich. Mit einem anderen Partner hätte sie vielleicht die große Liebe gefunden.«
    Bettina zuckte mit den Schultern. »Vielleicht hatte sie ja einen im Auge.«
    »Das halte ich für ausgeschlossen.«
    »Na gut. Dann entsprang dieser Satz eher allgemeinem Misstrauen deinem Vater gegenüber«, schloss Bettina diese ihr leidig gewordene Diskussion ab.
    »Es ist schlimm, wenn die Liebe eine Beziehung verlässt«, flüsterte Johannes Gieselke mit ungewohntem Pathos.
    Oder nie dort ankommt, ergänzte Bettina verbittert in Gedanken. Wie lange mochte es noch dauern, bis er diese Zicke Nele endlich vergessen hatte? Immerhin – Quebec war ziemlich weit weg. Aber selbst wenn Nele schon lange verschwunden war, würden die Umstände von Maurice’ Tod sie noch lange beschäftigen. Johannes käme sicher besser mit der Situation klar, wenn die Polizei endlich den Mörder geschnappt hatte. Bettina sah ihn besorgt von der Seite an. Aschfahl war sein Gesicht, direkt totenbleich. Bereits seit Tagen. Besonders tief getroffen hatte ihn, was der Rechtsmediziner zu ihm gesagt hatte. Dr. Pankratz, fiel Bettina nach kurzem Grübeln wieder ein.
    Er hatte sich zu ihnen an einen nüchtern weißen Tisch gesetzt, um sich mit Johannes zu unterhalten. »Erinnern Sie sich an den schönsten Tag, den Sie mit Ihrem Sohn erleben durften?«, hatte der Fremde gefragt. »Denken Sie an sein strahlendes Gesicht, das unbeschwerte Lachen, sein fröhliches Wesen. Behalten Sie ihn im Gedächtnis, wie er an jenem Tag war, wie er befreit herumtobte, der Wind in seinen Haaren zauste. Wenn Sie den Jungen jetzt noch einmal sehen, zerstören Sie all das. Nur das schreckliche Bild wird Ihre Erinnerung an Maurice sein.«
    Bettina hatte eine unerklärliche Schwäche gespürt.
    Hätte sie nicht schon gesessen, wäre sie bestimmt gestürzt.
    Als Johannes noch immer nicht überzeugt war, setzte der Mediziner hinzu: »An der Identität besteht nicht der geringste Zweifel. Die DNA-Analyse hat sie bestätigt.«
    Sie hatte gar nicht gewagt, in Johannes’ Augen zu sehen. Was für eine qualvolle Minute, bis sein sich weigernder Verstand aufnahm, was die Worte von Dr. Pankratz bedeuteten. Selbst sie, die noch kein eigenes Kind geboren und großgezogen hatte, fühlte einen brennenden Schmerz. Und sie empfand noch etwas anderes: Einsamkeit.
    Sie gehörte nicht richtig dazu. Als habe sie kein Recht, um den Kleinen zu trauern. Ein geringer Trost war ihr, dass es Neles neuem Partner wahrscheinlich ähnlich erging.
    Seit dieser grauenvolle Anruf in ihr Leben eingebrochen war, schwankte Johannes zwischen Selbstvorwürfen und Schuldzuweisungen. Natürlich wusste er, dass sein Vater nicht verantwortungslos gehandelt hatte, war ihm bewusst, die Entwicklung sei nicht voraussehbar gewesen – und doch: Emotional kam er sich vor, als habe er seinen Sohn leichtfertig einer tödlichen Gefahr ausgesetzt, an der niemand anderer als sein Vater die Schuld trug. Rettung aus diesem deprimierenden Kreislauf brächte nur die Festnahme des wahren Mörders. Dann gäbe es endlich jemanden, den man fern vom eigenen Selbst für diese unglaubliche Tat hassen konnte. Bettina war so in ihre eigenen Gedankengänge versunken, dass sie gar nicht gehört hatte, was Johannes gesagt hatte. Nun hatte sie den Anschluss verpasst!
    »… Miranda und Toni. Damit werden wir lernen müssen umzugehen«, hörte sie noch. Sie entschloss sich zu einem
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