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Gurkensaat

Gurkensaat

Titel: Gurkensaat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Steinhauer
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gestöckelt kommen. Den ganzen Tag lang reden die nur über Lidschattenfarben und Haarstyling. Nichts für mich!«
    »In der Schule nur Tussen und zu Hause Maurice, der ja auch nicht dein Freund war. Das war sicher nicht leicht für dich«, führte er sie geschickt wieder zum Thema zurück.
    Annabelles Gesicht verfinsterte sich. »Mamas Liebling!«, flötete sie zynisch. »Nesthäkchen! Muttersöhnchen!«, spuckte sie hinterher.
    »Du konntest ihn nicht ausstehen.«
    »Er war so entsetzlich dumm. Ständig hat er mich verpetzt. Meine Sachen versteckt. Ich habe wegen meiner angeblichen Schlampigkeit Ärger bekommen und er hat sich gefreut. Maurice durfte einfach alles. Wenn er etwas kaputt gemacht hat, hieß es nur, das war bestimmt keine Absicht. Bei Fehlern haben sie gesagt, er versteht es eben noch nicht besser. Es war unfassbar. Für jeden Mist, den er gebaut hat, gab es eine Schokoladenentschuldigung. Bei mir allerdings nicht. Fiel mir ein Glas aus der Hand, bekam ich eine an die Ohren. Pass gefälligst besser auf! In deinem Alter muss man das beherrschen. Wenn ich etwas falsch ausgerichtet habe, oh, wie schrecklich war das! Es gab ein riesen Gezeter, mit zehn, da ist das nicht mehr zu tolerieren, du hättest es besser wissen müssen. Aber am schlimmsten war, dass ich immer Ärger für das einstecken musste, was er getan hat. Du bist die große Schwester, da kann man doch erwarten, dass du ein Auge auf ihn hast! Ich habe an den Hausaufgaben gesessen und er räumte in der Zwischenzeit den Kühlschrank aus, schlug alle Eier auf dem Boden kaputt, ich war schuld. Er hat Papas Wein ausgeschüttet, der muss teuer gewesen sein, ich war schuld. Ich! Ich! Ich!«
    Sie holte tief Luft, um sich etwas zu beruhigen. Unvermittelt brach es voller Inbrunst aus ihr hervor: »Ich bin so froh, dass er tot ist!«
    »Und jetzt glaubst du, alle denken, du bist schuld an seinem Tod.«
    Nachtigall versuchte sich sein Erschrecken nicht anmerken zu lassen. Annabelle konnten sie noch nicht von der Liste der Verdächtigen streichen. Ein anderer Gedanke beschäftigte ihn auch. Hatte seine eigene Schwester Sabine manchmal ebensolchen Hass auf ihn empfunden?
    »Ja«, flüsterte das Mädchen mit Verzögerung. »Mama hat auch schon wieder gefragt, warum ich nicht auf ihn aufgepasst habe.«
    Sie fing erneut an, mit den Beinen zu schlenkern. Manchmal stieß sie dabei auch kräftig gegen Nachtigalls Unterschenkel.
    Doch der Hauptkommissar, der sehr genau wusste, dass diese Tritte nicht wirklich für ihn gedacht waren, zeigte keine Reaktion.
    Annabelle trat der ganzen ungerechten Welt mit voller Wucht gegens Schienbein.
    Geduldig wartete er ab.
    Annabelle war noch nicht fertig. Sie rang mit sich und er wusste, dass er sie dabei nicht stören durfte, wenn er erfahren wollte, was an jenem Nachmittag tatsächlich passiert war.
    »Klar, darauf hatte er doch nur gewartet! Dass ich ihm nachschleichen würde. Doch nicht mit mir. Da konnte er lange warten, der Arsch!«, brach es voller Hass aus ihr heraus, dass es Nachtigall vorkam, als umklammere eine eiskalte Hand seinen Magen.
    »Er hatte einen Anruf bekommen. Auf sein Handy. Natürlich waren die Dinger nicht dafür gedacht, dass wildfremde Menschen uns anrufen konnten. Mama hatte uns eingeschärft, die Nummern nicht herauszugeben, die seien geheim. Und was macht Maurice? Er verteilt überall kleine Zettel mit seiner Telefonnummer! In irgendeiner seiner Abenteuergeschichten war das der Auftakt zu einer spannenden Sache gewesen. Und nun rief ihn irgendjemand an, wollte sich mit ihm ungestört unterhalten, es ginge um einen Schatz. Das hat er mir jedenfalls erzählt. Er ist aus dem Zimmer geschlichen. Sicher hat er angenommen, ich sei neidisch und würde ihm folgen. Aber das habe ich nicht getan. Und dann …«, sie stockte, knetete die Finger im Schoß und richtete mit einem Ruck den Oberkörper kerzengerade auf. »Und dann fielen die Schüsse«, erklärte sie mit klarer, fester Stimme. »Drei. Ich wusste sofort, was da knallte. Opas Pumpgun. Also bin ich los, weil ich dachte, klar, wenn er jetzt auch noch heimlich an den Waffenschrank geht und rumballert, bin am Ende wieder ich verantwortlich, wie sonst auch. Ich bin also los, wollte eigentlich in den Keller, zum Waffenschrank. Aber dann sah ich, dass die Tür zu Opas Zimmer offen stand. Der Raum ist verboten. Ich schlich rein und fand Maurice.«
    Nachtigall betrachtete das Mädchen.
    War sie tatsächlich so abgebrüht oder erweckte sie nur verzweifelt

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