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Gurkensaat

Gurkensaat

Titel: Gurkensaat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Steinhauer
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den Anschein?
    »Ich habe sofort gesehen, dass er tot war.« Er hörte den Anflug wimmernder Verzweiflung. »Und ich wusste, wieder würden alle mir die Schuld daran geben! Und da wäre niemand, dem ich erzählen konnte, wie froh ich war.«
    Sie ließ sich einfach ohne Vorwarnung in seine Arme fallen und schmiegte sich fest an seine Brust. Überrumpelt strich er ihr tröstend übers Haar.
    »Nur dem Vogelmann konnte ich das sagen! Es ist nun unser Geheimnis!«
     
    Dr. Justus forschte in den Zügen ihres Gesprächspartners. »Haben Sie erfahren, was Sie wissen wollten?«
    »Ich glaube schon. Zumindest das meiste.«
    »Es ist nicht üblich, dass die Polizei allein mit unseren kleinen Patienten spricht«, sagte sie tadelnd. »Wir mussten in diesem Fall eine Ausnahme machen, weil es immerhin um den Mord an Annabelles Bruder geht.«
    »Dafür bin ich auch sehr dankbar. Bestimmt hätte sie manches nicht so frei berichtet, wenn noch jemand im Raum gewesen wäre.«
    »Wir haben lange auf die Eltern eingeredet, bis sie uns die Erlaubnis gaben. Wenn ich alles richtig verstanden habe, suchen Sie den Täter innerhalb der Familie?«
    Der Hauptkommissar nickte seufzend.
    »Es ist nicht der Schock, der ihr die Sprache verschlagen hatte, nicht wahr? Herr Nachtigall! Nun lassen Sie sich doch nicht alle Informationen wie Würmer aus der Nase ziehen!«
    »Ein schönes Bild, ich wüsste gern, welche ursprüngliche Bedeutung es hatte«, schmunzelte der Hauptkommissar und erklärte anschließend: »Es ist ein bisschen so, wie wir vermuteten. Sie fühlt sich schuldig, weil sie nicht auf ihn aufgepasst hat, und glaubt, alle anderen werfen ihr vor, für Maurice’ Tod verantwortlich zu sein. Aber die Besuche ihrer Freunde waren wohl eine große Hilfe für das Kind.«
    »Welche Freunde?«
    »Miranda und Toni. Das sind ihre besten Freunde. Mit den beiden hat sie sich darüber abgestimmt, ob sie sich mir anvertrauen soll oder nicht.«
    »Herr Nachtigall! Annabelle erhielt nur Besuch von ihren Eltern und Großeltern sowie von Ihnen. Ansonsten war niemand hier. Ich fürchte, diese beiden Freunde existieren nur in Annabelles Fantasie.«
    »Nun«, meinte er betroffen, »dann ist sie noch viel einsamer, als ich befürchtet habe.«
     
    Als er das Klinikum durch das imposante neue Portal verließ, hämmerte unablässig ein Satz in seinem Kopf. ›Ich bin so froh, dass er tot ist!‹ Emotionslos hatte sie von den Abläufen des schrecklichen Nachmittags gesprochen. ›Ich bin so froh, dass er …‹ Und nun teilte sie mit dem Vogelmann ihr furchtbares Geheimnis. ›… er tot ist!‹
    Es blieben noch viele Fragen offen: Wo war Maurice’ Handy? Annabelle hatte behauptet, sie wisse es nicht, er habe es immer bei sich gehabt. War die schwarze Gestalt am Ende nur Wunschdenken eines kleinen Mädchens, das seinen eigenen Bruder kaltblütig erschossen hat? Mit drei Schüssen, das hatte sie genau gewusst. Weil sie selbst abgedrückt hatte, oder hatte sie mitgezählt?
    Der Einschusswinkel konnte passen.
    Und Maurice wäre vor seiner Schwester auch nicht erschrocken weggelaufen, warum sollte er sich vor Annabelle fürchten.
    Sicher hatte er keine Sekunde daran gedacht, sie könne ernsthaft vorhaben, auf ihn zu feuern.

45
    »Herr Gieselke hat grad ang’rufe. Sei Frau ist verschwunde!«, empfing Michael Wiener die Kollegen aufgeregt.
    »Verschwunden?«, echote Skorubski ungläubig.
    »Von mir aus kann man au sage, sie ist vom Einkaufe nicht mehr z’rückg’kehrt. Beim Bäcker war sie wohl noch, danach hat se niemand mehr g’sehe.«
    »Ich hätte ja gedacht, sie schickt Erika Münzer zum Einkaufen. Gerade jetzt, wo sie doch sicher von jedem auf den Tod des Enkels angesprochen wurde«, überlegte Skorubski laut. »Das ist doch seltsam.«
    »Nein, das sehe ich nicht so. Vielleicht ging sie lieber offensiv mit dem Thema um, ausweichen konnte sie ihm auf Dauer ohnehin nicht«, mutmaßte Peter Nachtigall. »Auf mich wirkte sie nie wie jemand, der sich bei Problemen verkriecht.«
    »Dann kann man noch weniger erklären, warum sie verschwunden ist!«
    »Gut!«, beschloss Nachtigall. »Albrecht, wir fahren hin. Zwei Mordopfer gibt es in dieser Familie und ihrem Umfeld schon. Hoffen wir, dass dies nicht das dritte ist.«
    Michael Wiener sah seufzend den Kollegen nach.
    Na gut, dachte er, dann würde er versuchen, die restlichen Lücken in Wolfgang Mauls Tagesablauf zu schließen.
     
    Olaf Gieselke öffnete den beiden Beamten nur zögernd die Tür. »Sie? Ich

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