Gut geküsst ist halb gewonnen: Roman (German Edition)
er sie festgehalten hatte, als sie vorhin die Haustür geöffnet und sich in seine Arme geworfen hatte. Auch nicht in die Art, wie er sie gestreichelt oder ihr einen Kuss auf die Schläfe gedrückt hatte. Und erst recht nicht in sein Angebot, ein Mittagessen für sie zu kochen und dazubleiben, während sie duschte. Er hatte seinen Job getan, und mehr hineinzulesen war ein gefährlicher Abgrund, in den sie nicht noch tiefer stürzen wollte.
Als ihr Haar trocken war, ging sie ins Schlafzimmer und zog sich einen weißen BH und einen blauweiß getupften Slip an, darüber eine Jeans und eine weiße Bluse. Dann schlüpfte sie in ihre Pinguin-Plüschpantoffeln und tapste durch die Küche ins Wohnzimmer. Als sie verstohlen um die Ecke lugte, sah sie Quinn auf dem Sofa sitzen, die Unterarme auf den Oberschenkeln, die Hände zwischen den Knien baumelnd. Auf Couchtisch und Sofa waren ein Notizbuch und ein Laptop ausgebreitet, und er starrte ratlos auf den Bildschirm seines Computers.
Eigentlich hätte er deplatziert wirken müssen, ein großer Mann auf ihrem Sofa, der seinen Krempel auf ihrem antiken Couchtisch verteilt hatte. Fehlanzeige. Er sah aus wie ein sicherer Landeplatz in einer ins Wanken geratenen Welt. Als könnte er allein ihr Sicherheit garantieren. Bei seinem Anblick ging ihr das Herz auf, doch sie wusste, dass er alles andere war als sicher. Nicht für sie.
Quinn drehte den Kopf, als hätte er ihre Anwesenheit gespürt, und sein Blick traf ihren. Er richtete sich auf, und eine dunkle Haarlocke fiel ihm in die Stirn. »Fühlst du dich besser?«
»Ja«, antwortete sie und betrat den Raum.
Sein Blick folgte ihr. »Du siehst gut aus.«
Sie rief sich ins Gedächtnis, dass Quinn sie gekränkt und gedemütigt hatte, und dass er, hätte eine Durchgeknallte nicht beschlossen, ihr Briefe zu schreiben, jetzt nicht in ihrem Haus sitzen und so tun würde, als wäre sie ihm wichtig. Er wäre über alle Berge und würde Interesse an der nächsten Verdächtigen heucheln. Sie um seines Jobs willen küssen und berühren. Sie ging ans Fenster und sah nach draußen. Auf dem Bürgersteig fuhren zwei Mädchen auf rosafarbenen Fahrrädern ihre Babypuppen spazieren. Es war Samstag. Heute übernachtete sie bei ihrer Mutter.
»Lucy?«
Sie sah über ihre Schulter. »Was denn?«
Quinn warf ihr einen langen Blick zu. Dann sagte er: »Wir müssen über den Brief reden, der heute kam. Du hast zwar gesagt, du willst ihn nicht lesen, aber du musst.«
Sie drehte sich um. »Ist es schlimm?«
Er fixierte sie weiter und hielt einen Brief in einer durchsichtigen Plastikfolie hoch. »Ich denke ja.«
Lucy kam auf ihn zu und nahm ihm den Brief aus der Hand. Während sie las, lief sie um den Couchtisch herum und setzte sich neben ihn aufs Sofa. Nach der Lektüre war sie froh, dass sie saß. Ihr drehte sich der Magen um, und sie fürchtete, sich gleich übergeben zu müssen.
»Wer hat deine Privatadresse?«, fragte Quinn und schaute sie über seine breite Schulter an.
»Ich weiß nicht. Sie ist nirgendwo verzeichnet.« Nach kurzem Grübeln fielen ihr mehrere Möglichkeiten ein. »Vielleicht jemand bei der Zulassungsstelle oder bei der
Post. Sie steht auf meinen Schecks, deshalb … Wer weiß?« Lucy legte den Brief auf ihren Couchtisch und rieb sich ratlos die Schläfen.
»Was ist mit Buchläden?«
Buchläden? »Amazon hat sie. Ich lasse mir ständig Bücher schicken.«
Er schüttelte den Kopf. »Buchläden hier in der Nähe.«
»Ich weiß nicht.« Sie überlegte. »Ich habe eine Hastings-Karte. Dafür musste ich einen Antrag ausfüllen, deshalb haben sie ganz sicher meine Adresse.«
Er griff nach einem Stift. »Welche Filiale?« Sie sagte es ihm, und er notierte es in fetten Großbuchstaben. »Lass uns über die Krimifrauen reden.«
»Ich hab Detective Weber schon alles gesagt, was ich weiß.«
»Du weißt wahrscheinlich mehr, als du denkst.« Er nahm ein Blatt Papier in die Hand und reichte es ihr. Es war das Mitgliederverzeichnis der Krimifrauen. »Ist irgendjemand auf der Liste besonders merkwürdig oder übertreibt es vielleicht mit seiner Verehrung?«
»Tja, mehrere dieser Frauen sind merkwürdig.« Sie deutete auf einen Namen. »Betty schreibt schon, seit ich sie kenne, an ein- und derselben Szene, in der sie ihren Vater umbringt. Aber ich glaube nicht, dass sie im wahren Leben eine Mörderin ist.«
»War das die weißhaarige Frau mit der Brille, die am dreiundzwanzigsten bei dem Treffen bei ›Barnes and Noble‹
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