Gut genug - Erzählung
gewundert. Wir haben niemals für meine Mutter etwas eingekauft, weil sie ihre Sachen mit dem Auto immer vom Markt geholt hat, meine Mutter hat alles immer genauso gemacht wie im Werbefernsehen, und Waschmittel aus dem Supermarkt, und also warum sollten wir. Ich habe gesagt, außerdem haben wir zufällig gestern gerade Kabeljau gehabt, und es waren schrecklich viele lebendige Würmer darin. Sie hat gesagt, das steht nämlich in der Zeitung. Man soll diesen Fisch nicht essen. Ich habe gesagt, man mag auch gar nicht, und du glaubst nicht, wir würden dir Kabeljau kaufen, wenn Würmer drin sind. Wie haben sie sie reingekriegt. Meine Mutter hat gesagt, das steht nicht so genau in der Zeitung. Wenn keine Würmer drin sind, sind die Eier von den Würmern drin, und sie sind auch nicht gesund, sie sind womöglich noch ungesünder, weil sie unsichtbar sind. Also soll man jeglichen Fisch lieber durchbraten vorsichtshalber. Ich habe gesagt, nicht daß ich die nächste Zeit große Lust auf Kabeljau hätte, aber ich glaube, ich kann es mir merken.
Meine Mutter hat zuletzt noch gefragt, wann sie sich demnächst das Kind holen kann, und auf die Art habe ich erfahren, daß mein Vater in Kur fahren würde, damit er nicht vom Herumsitzen doch noch einen Herzinfarkt kriegt. Es sollte eine von den Kuren sein, wo sie einem beibringen, nicht den ganzen Tag nur herumzusitzen. Sie hat gesagt, den lieben langen Tag sitzt er mir nur herum und ist mir dauernd im Weg, aber wenn er dann weg ist, habe ich niemand zuhaus, der mich braucht. Ich brauche jemanden, der mich braucht. Ich würde dir gern das Kind abnehmen. Ich habe gesagt, was ist mit der Wohnung im Süden, weil ich dachte, dann hat er doch etwas zu tun, ich glaube nicht, daß sie einem mit einer Kur beibringen können, nicht herumzusitzen, aber meine Mutter hatte gewonnen. Komischerweise gewinnt in solchen Sachen immer der, der etwas nicht will, und so wird es dann gemacht. Jedenfalls wenn sich zwei Leute daran gewöhnt haben, alles die meiste Zeit immer gemeinsam zu machen. Ich habe gesagt, und was machst du mit Flo. Was fängst du mit ihm an. Bei euch ist es sauber und aufgeräumt, ich glaube nicht, daß Flo das schon kann. Aber meine Mutter hat gesagt, daß sie drei Kinder erzogen hätte, und das solle ich ihr überlassen. Ich habe gesagt, ich denke darüber nach.
Dann ist es wieder Herbst geworden. Es kamen Studenten. Aus dem Drehbuch über die RAF war ein Roman geworden. Aus dem Roman könnte man dann ein Drehbuch machen. Also hatte ich einigermaßen zu tun. Flo wollte auch tippen, aber er konnte es noch nicht so gut. Er konnte ganz gut wütend werden, wenn er etwas wollte, aber noch nicht so gut konnte, und wenn er wütend wurde, kam mir die Wohnung bedeutend kleiner vor als sonst. Wenn er abends wütend wurde, kamen manchmal die Nachbarn. Manchmal kamen sie auch nicht, sondern klopften gegen die Decke. Gegen-die-Decke-klopfen kannte ich nur aus Büchern, aber sie machten es wirklich. Aber Flo hat noch nicht verstanden, was es heißen sollte. Nach und nach fing er an, alle möglichen Sachen zu können, aber bevor er sie konnte, mußte er sie sich erst beibringen, und während er sie sich beibrachte, schrie er vor Zorn darüber, daß er sie noch nicht konnte. Eines Tages konnte er den Kühlschrank aufmachen und alles, was drin war, aus dem Kühlschrank ausräumen, dann konnte er die Küchenschränke aufmachen und alles aus den Schränken rausholen und Töpfe gegeneinanderschlagen, später konnte er auf den Tisch, und immer konnte er den Rest davon nicht, er konnte die Sachen nicht wieder einräumen, weil man sie dazu nach einem bestimmten Prinzip ineinandertun muß, und vom Tisch kam er nicht wieder runter, weil er alles nur vorwärts konnte. Wenn er etwas nicht konnte, hat er geschrien. Ich habe gesagt, es geht schon ganz gut, Flo, aber natürlich hat er dann noch mehr geschrien, weil es gelogen war. Es ist sehr interessant, einem Kind zuzusehen, wie es wächst, weil es ganz anders ist, als sie sagen, immer ist alles meistens anders, als sie sagen, aber die Lautstärke war ein Problem. Also ist manchmal A.C. mit ihm rausgegangen. Manchmal bin ich mit ihm rausgegangen. Je mehr es Herbst wurde, um so mehr wußten wir nicht, wohin A.C. hat gesagt, wo gehst du bloß mit ihm hin, wenn ich mit ihm losging, und ich habe gesagt, am besten, du fragst nicht. Ich habe niemals gefragt, wo A.C. mit ihm hinging, weil ich gedacht habe, wenn er es mir sagt, tut er mir auch noch leid, und dann
Weitere Kostenlose Bücher