Gute Geister - Stockett, K: Gute Geister - The Help
im Radio ein Stimmengewirr, Leute rufen, es klingt nach einem Durcheinander. Ich erstarr, wie wenn uns jemand von draußen beobachten würd. Jemand Weißes. Der KKK war in der Näh, nur fünf Minuten von hier, Jagd auf einen Farbigen machen. Ich möcht die Hintertür zumachen.
»Soeben wurde mir mitgeteilt«, sagt der Sprecher schnaufend, »dass Medgar Evers tot ist.«
»Medgar Evers.« Es hört sich an, wie wenn der Sprecher mitten in einem Gedrängel wär, überall ringsrum Stimmen. »Soeben kam die Nachricht. Ist tot.«
Oh, Gott im Himmel.
Minny guckt Leroy junior an. Ihre Stimme ist leis und ruhig.
»Bring deine Geschwister ins Schlafzimmer. Geht ins Bett. Und bleibt da.« Es schüchtert einen erst recht ein, wenn jemand, der eigentlich gern brüllt, leis redet.
Obwohl Leroy junior bestimmt lieber dableiben würd, schaut er die anderen an, und sie verschwinden alle miteinander ohne ein Wort. Der Radiosprecher ist auch still. Einen Augenblick lang ist da nur ein Kasten aus Holz und Drähten. »Medgar Evers«, sagt der Sprecher, und seine Stimme klingt, wie wenn sie in seinen Hals reingeht, statt rauszukommen, » der NAACP-Bezirkssekretär, ist tot.« Er seufzt. »Medgar Evers ist tot.«
Ich schluck einen Mundvoll Spucke runter und starr auf Minnys geweißte Wand, die ganz gelb ist von Speckfett,
Babyhänden und Leroys Pall Malls. Kein Bild, kein Kalender an Minnys Wänden. Ich versuch, nichts zu denken. Ich will nicht dran denken, wie ein Farbiger stirbt. Das erinnert mich nur an Treelore.
Minny hat die Fäuste geballt. Sie knirscht mit den Zähnen. »Erschossen, direkt vor seinen Kindern, Aibileen.«
»Wir werden für die Everses beten, wir werden für Myrlie beten …« Aber es klingt so hohl, also lass ich’s.
»Im Radio haben sie gesagt, seine Familie ist rausgerannt, wie sie die Schüsse gehört haben. Sie sagen, er ist rumgewankt, blutüberströmt, und die Kinder waren auch ganz voll Blut . . .« Sie schlägt mit der Hand auf den Tisch, dass das Radio wackelt.
Ich halt die Luft an, aber mir ist ganz schwindlig. Ich muss stark sein. Ich muss was tun, damit meine Freundin nicht durchdreht.
»In dieser Stadt ändert sich nie was, Aibileen. Wir leben in der Hölle, wir sind drin gefangen. Unsre Kinder sind drin gefangen.«
Die Stimme vom Radiosprecher kommt wieder, sagt: »… überall Polizei, die Straße ist abgesperrt. Es wird damit gerechnet, dass Bürgermeister Thompson in Kürze eine Pressekonferenz …«
Da hab ich plötzlich einen Kloß im Hals. Die Tränen laufen mir nur so übers Gesicht. Es sind die ganzen Weißen, die mir den Rest geben. Weiße, die in den Farbigenstraßen rumstehen. Weiße mit Gewehren, die auf Farbige zielen. Weil, wer soll uns denn beschützen? Gibt ja keine farbigen Polizisten.
Minny starrt auf die Tür, wo die Kinder rausgegangen sind. Schweiß rinnt ihr die Schläfen runter.
»Was werden sie mit uns machen, Aibileen? Wenn sie uns erwischen …«
Ich hol tief Luft. Sie redet von den Geschichten. » Wir wissen beide, dass das schlimm wär.«
»Aber was würden sie machen? Uns an einen Pick-up binden und hinterherschleifen? Mich in meinem Hof erschießen, vor meinen Kindern? Oder uns einfach verhungern lassen?«
Bürgermeister Thompson ist jetzt im Radio, spricht der Familie Evers sein Beileid aus. Ich schau auf die offene Hintertür und hab wieder das Gefühl, dass ich beobachtet werd, jetzt, wo die Stimme von einem Weißen um mich ist.
»Unser . . . Wir machen ja nichts mit Bürgerrechten. Wir erzählen doch nur Sachen, so wie sie wirklich passieren.«
Ich stell das Radio aus, nehm Minnys Hand. So sitzen wir da: Minny guckt auf die zerquetschte braune Motte an der Wand, ich guck auf den Lappen von rotem Fleisch, der in der Pfanne vor sich hin dörrt.
Minny sieht wie der einsamste Mensch auf der Welt aus. »Wenn Leroy nur da wär«, flüstert sie.
Ich glaub nicht, dass das hier im Haus schon mal wer gesagt hat.
Tagelang ist Jackson, Mississippi, wie ein Topf mit brodelndem Wasser. In Miss Leefolts Fernseher ziehen am Tag nach Mister Evers’ Trauerfeier Scharen von Farbigen die High Street lang. Dreihundert werden festgenommen. In der Farbigenzeitung steht, Tausende waren beim Gottesdienst, aber die Weißen konnt man an einer Hand abzählen. Die Polizei weiß, wer ihn erschossen hat, sagt aber keinen Namen.
Ich erfahr, dass die Familie Evers Medgar nicht in Mississippi begräbt. Sein Leichnam wird nach Washington gebracht, auf den
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