Gute Geister - Stockett, K: Gute Geister - The Help
aber … oh. Die Scham ist so schwer, dass ich das Gefühl hab, sie zieht mich auf den Boden runter. Diesmal war Leroy nicht voll mit Thunderbird. Diesmal war er stocknüchtern.
»Gehen Sie raus hier, Miss Celia, damit ich was geschafft krieg«, sag ich, weil ich eine Zeitlang allein sein muss. Zuerst
hab ich gedacht, Leroy hätt das mit Miss Skeeter und dem Buch rausgefunden. Das war der einzige Grund, der mir eingefallen ist, wie er auf mich eingeschlagen hat. Aber er hat kein Wort davon gesagt. Er hat mich einfach nur zum Spaß geschlagen.
»Minny?«, fragt Miss Celia und beäugt wieder die Platzwunde. »Sind Sie sicher, dass das in der Badewanne passiert ist?«
Ich lass Wasser laufen, damit irgendein Geräusch in der Küche ist. »Ich hab doch gesagt, dass es so war, und so war’s auch. Okay?«
Sie guckt mich misstrauisch an und streckt mir den Zeigefinger ins Gesicht. »Okay, aber ich mache Ihnen jetzt eine Tasse Kaffee, und dann will ich, dass Sie den Rest des Tages freinehmen, klar?« Miss Celia geht zum Perkolator, gießt zwei Tassen ein, stutzt dann aber. Guckt mich erstaunt an.
»Ich weiß nicht, wie Sie Ihren Kaffee trinken, Minny.«
Ich verdreh die Augen. »Genauso wie Sie.«
Sie tut zwei Stück Zucker in jeden Becher. Gibt mir den Kaffee, steht dann einfach nur da und starrt zum Fenster raus. Ich wollt, sie würd mich einfach allein lassen.
»Wissen Sie, Minny«, sagt sie leis. »Sie können mit mir über alles reden.«
Ich wasch weiter ab, fühl, wie sich meine Nasenlöcher weiten.
»Ich habe einiges erlebt, zu Hause in Sugar Ditch. Ja, ich …«
Ich schau auf, will ihr sagen, sie soll sich gefälligst nicht in meine Angelegenheiten einmischen, aber Miss Celia sagt mit ganz komischer Stimme: »Wir müssen die Polizei rufen, Minny. «
Ich knall meinen Becher so fest hin, dass der Kaffee rausspritzt. »Jetzt hören Sie mal zu, ich will nichts mit der Polizei …«
Sie zeigt zum Küchenfenster raus. »Da ist ein Mann, Minny! Da draußen!«
Ich guck dahin, wo sie hinzeigt. Ein Mann – ein nackter
Mann – steht draußen bei den Azaleensträuchern. Ich blinzel, weil ich erst denk, ich hab mich verguckt. Er ist groß und bleich, ein Weißer. Er steht mit dem Rücken zu uns, vielleicht fünf Meter weg. Sein Haar ist lang und verfilzt wie bei einem Landstreicher. Sogar von hinten seh ich, dass er an sich rummacht.
»Wer ist das?«, fragt Miss Celia. »Was macht er hier?«
Der Mann dreht sich um, wie wenn er uns gehört hätt. Uns klappt beiden die Kinnlade runter. Er hält uns sein Ding hin, wie wenn er uns ein Po’Boy-Sandwich anbieten würd.
»Oh … Gott«, sagt Miss Celia.
Seine Augen suchen das Fenster ab. Landen genau auf meinen, starren eine finstere Linie über den Rasen. Mich schaudert’s. Es ist, wie wenn er mich kennt, mich, Minny Jackson. Er starrt mit hochgezogener Oberlippe her, wie wenn ich alles verdient hätt, jeden einzelnen schlimmen Tag in meinem Leben, jede Nacht, die ich nicht geschlafen hab, jeden Schlag, den mir Leroy je verpasst hat. Das alles und noch mehr.
Und jetzt boxt er mit der Faust in die andere Hand, in einem langsamen Rhythmus. Box. Box. Box. Wie wenn er genau wüsst, was er mit mir machen wird. Mein Auge fängt wieder an zu pochen.
»Wir müssen die Polizei rufen!«, flüstert Miss Celia. Ihre weit aufgerissenen Augen huschen zum Telefon auf der anderen Seite von der Küche rüber, aber sie rührt sich nicht vom Fleck.
»Die brauchen eine Dreiviertelstunde, nur um das Haus zu finden«, sag ich. »Bis dahin kann er längst die Tür aufgebrochen haben.«
Ich renn zur Hintertür, schließ sie ab. Dann renn ich zur Vordertür, sperr da auch ab, duck mich am Küchenfenster vorbei. Ich stell mich auf die Zehenspitzen und späh durch das Guckfenster in der Hintertür. Miss Celia linst von der Seite durchs große Fenster raus.
Der nackte Mann kommt ganz langsam aufs Haus zu.
Kommt die Stufen zum Hintereingang hoch. Er probiert den Türknauf, ich seh, wie der ruckelt, und mein Herz bummert gegen meine Rippen. Ich hör Miss Celia ins Telefon sagen: »Polizei? Jemand versucht, in unser Haus einzudringen! Ein Mann! Ein nackter Mann versucht in …«
Ich spring grad noch rechtzeitig von dem Türfenster weg, eh der Stein durchs Glas kracht, spür noch den Scherbenhagel im Gesicht. Durchs große Fenster seh ich, wie der Mann paar Schritte zurückgeht, wie wenn er gucken will, wo er’s als Nächstes versucht. Herr im Himmel, bet ich, ich will das nicht machen,
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