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Gute Leute: Roman (German Edition)

Gute Leute: Roman (German Edition)

Titel: Gute Leute: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nir Baram
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bringst.«
    »Wenn du zurückkommst, werde ich dich so oft zum Lachen bringen, wie du möchtest«, hatte Stjopa geantwortet. »Vielleicht sind dir die Heilquellen in Borshomi lieber? Alles ist möglich, du musst es nur sagen.«
    »Lieber Stjopa, deine Sorge wärmt mir das Herz«, diese Antwort hatte sie sich zurechtgelegt. »Aber ich möchte endlich wieder zurück zur Routine der täglichen Arbeit, ich glaube, das ist das Beste.«
    »Du wirst zurückkehren, meine Liebe, ohne dich sind wir doch verloren.«
    Seine Entscheidung, sie in den Urlaub zu schicken, stand unverrückbar fest. Und seine vertraute Fröhlichkeit ging einher mit einem prüfenden Blick, der ihr Gesicht taxierte. Sicher suchte er nach Belegen für das Gerücht, das Resnikow über sie verbreitet hatte: Sie habe nach dem Verhör mit Muraschowski ihren klaren Verstand verloren. »Aber zunächst musst du Kraft sammeln. Dein Mann wird dich begleiten, schon lange sind wir zu dem Schluss gekommen, dass er Urlaub nötig hat. Wir müssen doch gut für einen so fleißigen Mitarbeiter sorgen.«
    Nachdem Maxim mit seiner Axt verschwunden war, blieb sie noch eine Weile im Bett liegen, stocherte auf dem Tablett mit den Köstlichkeiten herum, das er ihr jeden Morgen herrichtete, kleidete sich dann an und setzte sich auf die Veranda. Das Haus thronte auf einem steilen Hügel, so dass man das Meer sehen konnte. Bis zum Mittag blieb sie an einem runden Korbtisch sitzen, das Kinn im Pelzkragen ihres Mantels vergraben (erst bei ihrer Ankunft in Sotschi hatte sie festgestellt, dass Maxim nicht einen von ihren Schals eingepackt hatte, dafür aber ihr frühlingshaftes Hochzeitskleid), und schaute auf die Ebene zu ihren Füßen: Pferde und ihre stolzen Reiter galoppierten am Strand entlang, im Westen strebten Gruppen von Jägern dem Wald zu, ihre glänzenden Büchsen geschultert. Auf den Wellen, die mit dem Verstreichen der Stunden grau wurden, schaukelten kleine Boote, und am Horizont trieben Wolken um die gezackten Schneegipfel von Krasnaja Poljana, die wie Menschenschädel aussahen.
    Nach Mittag vertrat sie sich im Garten die Füße und stutzte zuweilen, mit der gesunden Hand, die Himbeerbüsche am Wegesrand. Während dieser Stunden tauchten am Fuß des Hügels in Lumpen gekleidete Greise und tscherkessische Frauen in farbenfrohen Gewändern auf – Podolski hatte ihr erzählt, die Bewohner der umliegenden Dörfer würden hier nach Brot und Fleischresten suchen, weil im Sommer die Urlauber Feuer anzündeten und Fleisch darüber brieten und manchmal Reste zurückließen.
    »Nicht genug, dass diese Hinterwäldler nicht mitbekommen, dass es in dieser Jahreszeit keine Feuer gibt«, hatte sich Podolski erregt, »sie jammern auch immerzu über irgendwelches Unrecht, das man ihnen angetan hat. Ein Glück nur, dass es heutzutage nicht mehr für jede Beschwerde eine Partei gibt.«
    In den Abendstunden herrschte außer dem Pfeifen des Windes in der Datscha unheilverkündende Stille. Von ihnen beiden hatte nur Sascha schon Bekanntschaft mit einer solchen Stille gemacht, denn Maxim war noch kein wirkliches Leid widerfahren: Sein Vater war an Herzversagen in seinem Bett gestorben, seine Mutter und seine Schwester besuchte er häufig und begriff nicht einmal, welch ein Privileg das war. Am gestrigen Tag hatte er ihr vorgeschlagen, den Abend gemeinsam mit ihm in der Datscha von irgendeinem Semjon zu verbringen, wo Roulette und Karten gespielt würden. Tatsächlich hatte sie in den letzten Jahren die alte Schwäche fast vergessen, die der junge Podolski für das Glücksspiel gehegt hatte. Auf dem Schulhof war er der König der Kartenspieler gewesen, hatte mit seinen funkelnden Augen und ein paar Schimpfkanonaden die Kameraden genötigt, mit ihm zu spielen, obgleich alle wussten, dass er gewinnen würde.
    Sie lehnte die Einladung kühl ab, nahm ihm aber nicht die Hoffnung, auch ohne sie dort den Abend verbringen zu dürfen. Sie wusste, dass er es wohl nicht wagen würde, sie darum zu bitten, und schwor sich, falls doch, ihr Einverständnis niemals zu geben. Nichts zu machen, Maxim, lachte sie insgeheim, so ist das Eheleben nun mal, du wolltest doch heiraten, oder?
    Noch mehr Vergnügen als ihre Weigerung bereitete es ihr zu sehen, wie er an sich hielt, um nicht einfach zu sagen: »Ich spiele Roulette heute Abend, und du tust, was dir beliebt.« Mitunter meinte sie, ihn grundlos zu quälen: Schließlich pflegte und umsorgte er sie rührend, trug ihr jeden Morgen das Frühstückstablett

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