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Gute Nacht, mein Geliebter

Titel: Gute Nacht, mein Geliebter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inger Frimansson
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unter ihren Haaren den Schweiß ausbrechen. Sie dachte … nein, sie dachte überhaupt nicht. Wenn sie anfing zu denken, würde alle Kraft aus ihr weichen, sie würde es nicht durchhalten.
    Langsam machten sie sich auf den Weg. Das erste Stück bestand aus einem steilen und sandigen Hang, dann kamen sie in den Urwald. Ben und Nathan gingen vor. Nach einer Weile entdeckte sie, dass sich ihnen eine Gruppe eingeborener Männer angeschlossen hatte. Sie hatte die Männer nicht bemerkt. Ihr erster Gedanke war, dass sie etwas im Schilde führten. Dann begriff sie, dass die Männer sie auf ihrem Weg begleiten würden. Ben erzählte ihr, dass sie zum Volk der Orang Asli gehörten, the original people.
    Sie arbeiteten sich einen glatten und schlüpfrigen Hang hinauf. Der Rucksack zog sie die ganze Zeit nach hinten. Sie klammerte sich an Wurzeln und Zweige, kämpfte sich mühsam nach oben. Heinrich war dicht hinter ihr, als ein pfeifendes Atemgeräusch.
    »Wie geht’s?«, keuchte sie.
    »Man sollte wahrscheinlich nicht klagen, wir sind ja gerade erst losgegangen«, sagte er. »Aber es ist diese verdammte Hitze.«
    Ja, die Hitze war kräftezehrend, sie machte die Bewegungen langsam und das Atmen schwer. Sie trieb den Schweiß aus allen Poren, der ihre Kleider feucht werden, den Hosenstoff an den Schenkeln kleben ließ, was jeden Schritt noch schwerer machte.
    Oben auf der Kuppe bildete die Vegetation eine undurchdringliche, grüne Wand. Die Eingeborenen bahnten ihnen den Weg. Justine versuchte, ihr Messer zu benutzen, aber es war nicht leicht, es zu halten, sie brauchte beide Hände, um sich festzuklammern. Einer der Männer nahm ihr das Messer ab und zeigte ihr, wie man damit hauen musste. Es sah ganz leicht aus, als er es vormachte.
    Sie gingen eine Zeit lang geradeaus weiter, dann ging es steil bergab, in eine Schlucht voller Lehm und glitschiger Blätter.
    »Müssen wir hier unbedingt runter?«, sagte Gudmundur.
    »Ja, die haben sich fest vorgenommen, uns beizubringen, wie es im Dschungel ausschaut«, murrte Heinrich. »Bis in den kleinsten Blattnerv hinein.«
    Ben kam zu ihnen.
    »Ist es anstrengend?«
    »Wenn es nur nicht so verdammt heiß wäre. Wir sind das einfach nicht gewohnt.«
    »Ihr müsst trinken. Ihr dürft nicht vergessen zu trinken.«
    Einer der Eingeborenen war der Erste beim Abstieg. Er trug einen Sweater, auf dem Pepsi stand, und dunkelblaue Shorts. Seine Beine waren mager und zerkratzt. Sie dachte, dass sie ausrutschen würde, um dann wie ein Paket bis zum steinigen Grund der Schlucht zu rollen. Ihre Muskeln zitterten vor Anstrengung, sie fierte sich hinunter, unendlich langsam, hielt sich an Lianen und Ästen fest. Fiel auf den Hintern und rutschte ein ganzes Stück, ehe sie von einem Baumstamm gebremst wurde. Saß dort eine Weile und hielt sich an ihm fest wie an einem Rettungsring. Als sie ihn wieder losließ, fasste sie mit der Hand direkt in eine stachlige Pflanze. Sie fluchte vor sich hin, verbissen.
    Nathan war ein gutes Stück vor ihr, kommst du, rief er.
    Martina war schon unten.
    »Wir können jetzt eine kurze Pause machen«, sagte Ben.
    Der Fluss floss gelb und mit starker Strömung vorbei, in der Ferne hörte man das Donnern eines Wasserfalls.
    »Setz deinen Rucksack ab«, sagte Nathan, aber sie war zu müde, ihre Hände zitterten. Er half ihr, hob ihn ihr vom Rücken, die Gurte schnitten in die Schultern. Ihre Arme waren so geschwollen, dass ihr Uhrband zu eng saß. Sie musste es zwei Löcher weiter machen. Sie betrachtete ihre Finger, die zu kleinen Partywürstchen angeschwollen waren und sich kaum noch beugen ließen.
    Als Letzter von allen kam Heinrich den Abhang herunter. Seine Augen flackerten, die Kleider waren nass und schmutzig.
    Ben betrachtete sie. Er lächelte ein wenig.
    »Ihr werdet euch daran gewöhnen. Am Anfang ist es immer am schwersten.«
    »Da bin ich mir nicht so sicher«, keuchte Heinrich. »Ich glaube nicht, dass man alten Hunden noch etwas beibringen kann.«
    Es war ein schöner Platz, an dem sie Halt gemacht hatten. Große, weiße Blumen wuchsen an den Flussufern, weiter oben lagen Grotten, und jetzt sah sie, wie eine Schar von Fledermäusen ins Licht herauskam, erschreckt durch ihre Nähe. Justine fiel am Fluss auf die Knie. Sie ließ Wasser über Hände und Gesicht laufen. Ein riesiger Schmetterling saß auf einem Zweig, der über der Wasseroberfläche hing. Auf einmal sah sie noch mehr, sie umkreisten Justine, und sie streckte ihre Hände aus. Einer von ihnen landete

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