Gute Nacht, mein Geliebter
zusammen, hinein mit dem Nagel in den zähen Gummimund: so! Schwarz und sich aggressiv windend, bewegten sie sich in ihrem Griff, suchten bereits nach einem neuen Halt. Mit vor Ekel verzerrtem Gesicht strich sie die Egel an einem Stein ab.
Es wollte nicht aufhören zu bluten. Aber es tat nicht weh.
»Sie sprühen etwas hinein, das betäubt und das Blut daran hindert zu gerinnen«, sagte Ben. »Sie rechnen sich aus, dass sie es schaffen, einiges aufzusaugen, ehe man etwas bemerkt. Sie sind nicht gefährlich, aber auch nicht sehr angenehm.«
»Wenn sie im Fluss sind, brauchen wir ja nicht unbedingt dort zu gehen«, sagte Katrin.
»Sie sind überall. Sie liegen im Gras auf der Lauer. Sie scheinen einen unglaublichen Geruchssinn zu haben. Wenn ein Mensch oder ein Tier vorbeikommt, nehmen sie Anlauf und springen. Und sie verpassen einen fast nie.«
Gudmundur sagte:
»Alle Lebewesen habe ihre spezielle Funktion im Kreislauf des Lebens. Aber der Blutegel? Welche Funktion hat er? So wie ich es sehe, hat er kein Recht zu leben.«
Und er riss einen kräftig angeschwollenen Egel von seinem Knöchel und zermalmte ihn unter seinem Absatz.
Am späten Nachmittag erreichten sie wieder den Fluss. Auf der anderen Seite wollten sie ihr Lager aufschlagen. Einer der Eingeborenen, er war fast noch ein Junge, nahm Justine bei der Hand und führte sie vorsichtig ins Wasser. Der Grund war glatt und voller Steine. Sie klammerte sich an den Jungen. Als sie es fast geschafft hatte, rutschte sie aus und fiel ins Wasser. Der Junge konnte sie nicht mehr halten, sie tauchte prustend wieder auf.
Zwei Hände ergriffen sie von hinten. Nathan.
»Du kleiner Tollpatsch!«, sagte er. »Jetzt hast du bestimmt dein ganzes Gepäck nass gemacht.«
Martina irgendwo hinter ihr, ihr schallendes Gelächter.
»Entschuldige, Justine, aber das sah wirklich zu komisch aus.«
Sie lag auf einem umgestürzten Baumstamm. Eine Wolke kleiner Fliegen umschwärmte sie. Überall rauschte, raschelte und brummte es.
Sie hörte die anderen, sie waren dabei, das Lager aufzuschlagen. Sie lag regungslos auf dem Stamm. Die Fliegen krochen in ihre Augenwinkel, sie war zu müde, um sie zu verjagen. Vom Lager her hörte sie Martinas leise gurrende Laute, vergnügt und spöttisch, samtweich wie der Gesang der Gibbonaffen hoch oben in den Baumkronen.
Durch ihre Wimpern hindurch konnte sie Hände und Arme erkennen, sie hörte Stimmen und Rufe.
In der Ferne hallte ein Donner, als sie die Augen öffnete, fielen bereits die ersten Regentropfen. Sie hatte nie zuvor Regen aus dieser Perspektive erlebt, von unten. Die weißen Tropfen waren wie Perlen, sie lag da und ließ sie zu sich kommen, ihre Haut tränken und von ihr und den Kleidern aufsaugen, ließ die Tropfen ihren Körper reinigen und erfrischen.
Ben hockte unter einem Regenschutz. Er trug jetzt einen Sarong und rührte in einem Blechteller über dem Feuer.
»Justine?«, rief er.
»Ja.«
»Ist alles okay?«
»Ja.«
»Bist du hungrig?«
»Ja? Das … bin ich vielleicht.«
»Geh und zieh dich um, zieh dir etwas Trockenes an.«
Sie betrachtete prüfend ihre Fingerspitzen. Sie waren aufgeweicht, als hätte sie zu lange in der Badewanne gelegen. Ihre Hände waren voller Stiche.
Sie sagte zu Ben:
»Meine Fingerspitzen sind blau.«
Sie wusste nicht, wie man blaue Flecken auf Englisch sagte.
Er nickte zerstreut.
Eine Plastikplane war zwischen ein paar Pfählen gespannt worden. Geduckt lief sie dorthin. Heinrich und das deutsche Paar saßen bereits dort. Sie stellte ihren Rucksack ab. Ein Blitz zuckte zwischen den Baumstämmen. Unmittelbar darauf donnerte es.
»Wo sind denn die anderen?«, fragte sie.
»Sie wollten sich den Wasserfall ansehen.«
Sie sank zu Boden und versuchte, ihre nassen Turnschuhe zu öffnen. Ihre Hose hatte Löcher bekommen, sie blutete aus einer Wunde oberhalb des Knies. Alles im Rucksack war in Plastiktüten verstaut. Ihre Sachen hatten nicht viel Feuchtigkeit abbekommen. Schlimmer stand es um alles, was sich in ihrer Hüfttasche befand: die Kopfschmerztabletten, drei Tampons, ein Notizbuch und ein paar Papiertaschentücher. Alles war zu einem einzigen Haufen zusammengepappt.
Sie fand ein Handtuch und begann, sich abzutrocknen.
Draußen im Fluss ging der Mann mit dem Pepsisweater mit einem großen, runden Fischnetz umher. Von Zeit zu Zeit hob er es hoch, pflückte die Fische heraus und stopfte sie sich in die Taschen. Nach einer Weile watete er zurück und brachte seinen Fang
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