Gute Nacht, mein Geliebter
auf ihrem Daumen. Sie fühlte die kleinen, kühlen Füße und den Saugrüssel, als er über ihre Haut fuhr.
»Bleib sitzen!«, sagte Martina. »Ich will versuchen, eine Großaufnahme von ihm zu machen.«
Aber als sie sich mit dem Kameraobjektiv näherte, bekam der Schmetterling Angst und flog fort. Sie stöhnte vor Enttäuschung auf.
»Shit, das hätte das Bild des Jahres werden können.«
»Sie suchen nach Salz«, sagte Ben.
»Ist das wahr, ich dachte, Schmetterlinge mögen alles, was süß ist?«
»Ja, deshalb setzen sie sich bestimmt auf Justine«, sagte Heinrich. Er hatte sich die Schuhe ausgezogen und tauchte jetzt seine Füße ins Wasser, wobei er wild grimassierte.
»Autsch! Habt ihr euch etwa keine Blasen gelaufen?«
»Ich weiß nicht«, sagte Justine. Ihre Turnschuhe waren durchnässt und lehmverschmiert. »Ich traue mich nicht, die Schuhe auszuziehen, denn dann bekomme ich sie bestimmt nicht wieder an.«
Einer der Eingeborenen trat zu Ben. Er war ein wenig jünger, über eine Gesichtshälfte verlief eine Narbe. Er hielt ein Blasrohr in der Hand. Ein Köcher mit Pfeilen hing an seiner Hüfte. Er sah erregt aus, sagte ein Wort, wiederholte es mehrere Male.
»Was sagt er?«, fragte Nathan.
»Tigerspuren.«
»Wo?« Martina drängte sich vor. »Lasst mich sehen, ich schieße ein paar Bilder.«
Etwa zehn Meter entfernt sahen sie im Sand die Abdrücke großer Tatzen.
»Ben, du hast gesagt, dass sie mehr Angst vor uns haben als wir vor ihnen«, murmelte Katrin. »Ich hoffe wirklich, dass du Recht hast.«
»Doch, doch, das stimmt schon. Er hat uns sicher gehört und sich aus dem Staub gemacht. Er ist über alle Berge.«
Sie machten sich wieder auf den Weg, wollten dem Flussufer folgen. Zu ihrer Linken erhob sich steil der Berg. Sie mussten über schlüpfrige Wurzeln und Felsen steigen, genau dort, wo der Berg auf das Wasser stieß. Einer der Männer hatte ein Seil aus Hanf zwischen Zweigen und Bäumen gespannt. Sie hielten sich an dem Seil fest und hangelten sich langsam vorwärts.
Nach einer Weile ließen sie den Berg hinter sich und kamen in eine Ebene. Dort bogen sie wieder in den Wald ab.
Immer war sie es, die zuletzt kam. Sie und Heinrich. Sie ließ sich durch das Tempo der anderen stressen und verausgabte sich, geriet außer Atem und verlor ihren Rhythmus. Anfangs wartete Nathan noch auf sie und half ihr über die schwierigsten Passagen hinweg. Anfangs ermahnte er sie auch noch.
»Versuch einmal, etwas schneller zu gehen, Justine, du hältst die ganze Gruppe auf.«
Dann ließ Ben einen der Eingeborenen zusammen mit Justine und Heinrich gehen. Jedes Mal, wenn sie die anderen einholten, hatten die sich bereits seit längerem ausgeruht und waren bereit, weiterzugehen. Auf diese Weise wurde der Stress nur noch größer, ihr Gefühl der Unzulänglichkeit. Heinrich bemerkte es, er versuchte, sie zu trösten.
»Nicht jeder hat so viel Energie, das ist nun mal so. Und wenn Nathan auch in Zukunft Dschungelausflüge organisieren will, muss er einen besser darüber informieren, dass man sowohl Marathonläufer, als auch Spitzenturner sein muss, um mitkommen zu dürfen.«
Es war ganz einfach so, dass die begrenzten Möglichkeiten ihres Körpers plötzlich deutlich zu Tage traten. Sie war nicht mehr jung.
Sie saßen auf ein paar Steinen und ruhten sich aus. Justine rieb sich den Knöchel und spürte etwas Warmes an ihrer Hand. Es war Blut. Ihre Strümpfe hatten große, rote Flecken. Sie fasste einen der Flecken an, fühlte etwas Gummiartiges. Sie schrie auf. Die Eingeborenen lachten.
Vier Blutegel hatten sich durch die Strümpfe hindurch festgesaugt. Ihre Körper schwollen, wurden immer dicker. Sie hatte ihre Socken über die Hosenbeine gezogen, die Egel hatten sich mühelos durchgesaugt.
»Da hast du deine Schmarotzer«, sagte Nathan.
»Mach sie weg!«, schrie sie.
Martina näherte sich mit der Kamera.
»Bleib sitzen. Es dauert nur ein paar Sekunden.«
Sie schrie auf Schwedisch:
»Zur Hölle, verschwinde!«
Sie warf sich auf die Erde, scheuerte mit den Beinen über den Erdboden, trat, jaulte.
Nathan packte sie an den Schultern.
»Werd jetzt nicht hysterisch, Justine, verdammte Scheiße, mach dich doch nicht lächerlich!«
Sie wurde ruhiger und schluchzte auf.
»Dann mach sie doch weg, mach sie weg!«
»Mach es selbst! Wir haben auch Blutegel abbekommen.«
Sie zwang sich, ihre Finger um die glatten, weichen Körper zu legen, Finger, die abrutschten. Sie kniff die Augen
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