Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Guten Abend, Gute Nacht

Guten Abend, Gute Nacht

Titel: Guten Abend, Gute Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeremiah Healy
Vom Netzwerk:
zerlumpte Turnschuhe, trug eine ausgebeulte, verwaschene olivgrüne Arbeitshose und ein langärmeliges, kragenloses Flußschifferhemd. Man konnte ihn nicht gerade als Sklaven der Mode bezeichnen, und als Leiter einer juristischen Fakultät konnte ich mir ihn ungefähr so leicht vorstellen, wie ich mich als Pilot eines Raumschiffes sehen konnte. »Der Laden wird Ihnen gefallen«, sagte er, über die Schulter gewandt, als er vor mir hineinging.
    Jim bewahrte meinen nickenden Kopf davor, abgerissen zu werden, indem er einen Basketball auffing, der in Höhe von ein Meter achtzig auf mich zugeschossen kam.
    »Oh, sorry, Jim«, rief jemand.
    »Kein Problem«, erwiderte er und dribbelte den Ball zur Seitenwand. Dort hing ein Korb, dessen Wurfkanal mit einer durchsichtigen Plastikmanschette versehen war. Ohne Bedenken konnte man Freiwürfe auf das Ding feuern, da die Manschette selbst bei einem Streifschuß oder Abpraller den Ball kontrolliert zum Werfer zurücklenkte.
    Als Jim sich der Freiwurflinie näherte, rief ein Barkeeper: »Für sieben hintereinander gibt’s einen Pitcher Freibier.«
    Jim nahm die Herausforderung an, ging in Position und warf zwölf Körbe hintereinander, bevor er sagte, wir brauchten was zu trinken.
    Wir blieben ungefähr zwei Stunden, sahen uns auf den acht unter der Decke montierten Fernsehern die Übertragung eines Spieles der Cubs an. Wir schlenderten durch die verschiedenen Trink- und Eßbereiche, einschließlich eines nachgebauten Box-Ringes mit Cocktailtischen und — Stühlen darauf, während Jim mich seinen Freunden und Bekannten vorstellte. Es war der beste Nachmittag in einer Bar, den ich seit meiner Zeit in der Army erlebt hatte, und das sagte ich auch.
    Jim lächelte. »Ist nur die Spitze des Eisberges. Haben Sie langsam Hunger?«
    Ich bejahte, und er sagte, okay, gehen wir.
    Das nächste Lokal hieß Twin Anchors, mehr eine typische Stadtteilkneipe. Es gab eine lange Theke und einen gemütlichen Eßbereich im hinteren Teil. Jim ging zur Oberkellnerin. Sie sagte: »Dauert mindestens noch eine halbe Stunde, bis ein Tisch frei wird, Jim.«
    Jim sagte: »Aber ich habe einen Freund aus Boston dabei, und ich erzähle ihm jetzt schon den ganzen Tag, wie toll man bei euch essen kann, und...«
    »Es bleibt trotzdem bei der halben Stunde.«
    Plötzlich krümmte sich Jim und keuchte: »Schlag mich, peitsch mich aus, zwing mich, ungedeckte Schecks auszustellen...«
    »Schon gut, schon gut. Es reicht, okay?« Sie atmete aus und sah mich an. »Ihnen ist klar, daß das eine seiner üblichen Nummern ist, stimmt’s? Ihnen ist klar, daß ich Ihnen und mir wenigstens zwanzig Minuten Vorstellung erspare, stimmt’s?« Bevor ich noch etwas sagen konnte, schaute sie hinter sich und sagte zu Jim: »Direkt neben der Küche ist noch ein Tisch frei. Da will wahrscheinlich sowieso keiner sitzen.« Dann lächelte sie. »Connie ist heute abend ein bißchen tattrig. Vielleicht verschüttet sie irgendwas über dich.«
    Während sie uns Speisekarten holte, drehte sich Jim zu mir um und sagte: »Diese Frau ist einer der vielen Gründe, warum ich diese Stadt so liebe.«
    Wir schlemmten mit gegrillten Rippchen, Fritten und Heileman’s Old Style- Bier. Nachdem ich Jim in der Bar beobachtet und beim Essen mit ihm geredet hatte, verstand ich, wieso er ein beliebter und leistungsfähiger Verwaltungsmensch sein mußte. Er gehörte zu der seltenen Sorte intelligenter und gut informierter Geschichtenerzähler, die wußten, was es wert war, bereitwillig und aufmerksam den Geschichten anderer Leute zuzuhören.
    Während ich mir die Finger an einer Serviette abwischte, sagte Jim: »Mögen Sie Komiker? Improvisations-Zeug?«
    »Ja.«
    »Und schon sind wir wieder unterwegs.«
    Ich bestand darauf, das Abendessen zu bezahlen. Jim bestand darauf, sich später dafür zu revanchieren.
    Während der Fahrt sagte er: »Das hier ist die Old Town. Bis vor ein paar Jahren, als die Nobelsanierung begann, war’s ziemlich herb hier. Jetzt wird es allmählich eine richtig schicke Gegend, aber dieser Laden ist schon immer sagenhaft gewesen.«
    Als wir auf der anderen Straßenseite parkten, zeigte er auf ein rotes Ziegelgebäude mit einer rot-weißen Fahne. Auf der Fahne stand THE SECOND CITY.
    »Ist das hier der Laden, aus dem die Saturday Night Live- Leute kommen?«
    »Und noch viele andere. Los, ich habe einen Freund im Ensemble.«
    Wir betraten das Gebäude und gingen eine Treppe hinauf. Während Jim uns über seinen Freund Karten besorgte,

Weitere Kostenlose Bücher