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Guten Abend, Gute Nacht

Guten Abend, Gute Nacht

Titel: Guten Abend, Gute Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeremiah Healy
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schlen-derte ich die lange Reihe von Photos ehemaliger Mitglieder der Truppe entlang. Es war wirklich unglaublich. Mike Nichols und Elaine May, Jack Burns und Avery Schreiber, John Belushi, Bill Murray, Betty Thomas von Hill Street Blues, George Wendt von Cheers, und ein Dutzend anderer über die Jahre vertraut gewordener Gesichter.
    Hinter mir sagte Jim: »Die Show fängt gleich an.«
    Wir gingen in einen Varieté-Raum, in dem bereits an die dreihundert Leute um eine kleine leere Bühne saßen. Das Ensemble bestand aus sechs Personen, laut Jim immer vier Männer und zwei Frauen. Die Mitglieder gingen, wenn sich ihnen neue Möglichkeiten boten, kehrten aber nur selten zurück. An diesem Abend zeigten sie sechs Repertoire-Sketche, ausnahmslos albern, geschmacklos und zum Schreien komisch. Dann kamen zwei von ihnen wieder raus, erbaten vom Publikum simple Begriffe, wie »Tupperware« und »Stadtbus« und »Chicago Bears.« Eine halbe Stunde später waren alle sechs Komiker zurück und improvisierten Sketche, basierend auf den Zuschauervorschlägen. Wenn man ihnen zuschaute, wie jeder mit dem Einfallsreichtum des anderen spielte, mußte man zugeben, daß der komischste Mensch, dem man je begegnet war, neben ihnen ziemlich amateurhaft aussah.
    Am Ende der Show erhielt das Ensemble brüllenden, stampfenden Applaus. Jim fragte, ob ich sie gerne kennenlernen wollte, aber ich lehnte ab, wollte lieber das Bild behalten, das ich bereits hatte.
    Als wir mit dem übrigen Publikum hinausgingen, sagte ich zu Jim: »Wissen Sie, ich will Sie nicht zu lange auf den Beinen halten.«
    Er sagte: »Sie treffen sich doch morgen nur mit irgendeinem Doktor, richtig? Ich meine, Sie müssen doch nicht selbst operieren oder so?«
    »Das ist richtig.«
    »Toll.«
    Ich erinnere mich noch an die Namen einiger Lokale, in die wir reinschauten. Gamekeepers, P. S. Chicago, Yvette’s, ein Pizza-Restaurant namens Ranalli’s mit einer riesigen Auswahl importierter Biere. Hauptsächlich sind aber nur Bilder hängengeblieben, wie zum Beispiel die Umrisse eines Ledersessels oder die Ohrringe einer Bardame oder das Geländer der halben Treppe hinunter auf die Toilette.
    Ich erinnere mich noch, wie Jim mich wieder am Raphael absetzte, daran, daß der Portier rauskommen mußte, um mir aus dem Wagen zu helfen. Jim stopfte einen Zettel in meine Hemdtasche und sagte: »Rufen Sie mich morgen an, falls Sie Hilfe brauchen.«
     
    Ich lehnte mich gegen den Portier und drehte mich zum Wagen zurück, um mich zu bedanken. Jim brüllte irgendwas und fuhr los.
    Der Portier brachte mich sicher in die Hotelhalle. Ich fragte, ob er verstanden hätte, was Jim noch gesagt hatte.
    Der Portier bewegte seine Lippen. »Ich glaube, Sir, er sagte etwas wie: >Der größte Spaß, den ich je mit Kleidern am Leib gehabt habe.<«
    Wahrscheinlich wortwörtlich.
     

FÜNFUNDZWANZIG
     
     
     
    Feueralarm riß mich hoch. Mit wirbelnden Beinen und verrückt herumwippendem Kopf versuchte ich Kleider und Schuhe auszumachen. Dann erkannte ich, daß ich beides noch anhatte. In meinem Kopf setzte ein fürchterliches Hämmern ein, und der Lärm des Alarms klang für die Pausen dazwischen allmählich zu lang. Das Telefon. Idiot. Verkaterter Idiot.
    Ich nahm den Hörer ab und sagte: »John Cuddy.«
    »Dachte, Sie brauchen vielleicht einen Weck-Anruf.« Jims Stimme.
    »Danke. Wie spät ist es überhaupt?«
    »Ungefähr halb acht, Central Time. Brauchen Sie irgendwas?«
    »Ja. Ein Aspirin von der Größe eines Hershey-Riegels.«
    »Hah. Sie sind nur aus der Übung. Fünf Tage in dieser Stadt würden einen neuen Menschen aus Ihnen machen.«
    »Wie lange brauche ich bis zum Chicago Memorial?«
    »Mit dem Taxi, wenn viel Verkehr ist, vielleicht zwanzig Minuten. Es ist nur ein paar Blocks vom Art Institute.«
    »Gut. Ich werde mich zusammenreißen und dort hingehen. Nochmals vielen Dank für den Abend.«
    »Keine Ursache. Ich habe Ihnen noch mal meine Telefonnummern in die Tasche gesteckt, als Sie aus dem Wagen gestiegen sind. Rufen Sie mich an, wenn Sie mich brauchen.«
    »Das werde ich.«
    Ich legte auf, zog mich aus und schluckte vier Aspirin mit genauso vielen Gläsern Wasser. Nachdem ich geduscht und mich rasiert hatte, rief ich Dr. Gemelmans Büro an. Seine Sekretärin sagte, er würde mich um zehn Uhr erwarten. Sechste Etage, Zimmer 612. Ich bedankte mich, nahm meinen ganzen Mut zusammen und wagte mich runter ins Restaurant, zwang eine Portion Toast in die Säuregrube, wo sich früher mal mein

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