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Guten Morgen, Tel Aviv

Guten Morgen, Tel Aviv

Titel: Guten Morgen, Tel Aviv Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Hoeftmann
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bestellt. Man kombiniert vielleicht anders, aber um eine Meinung fragt man die Kellnerin oder den Kellner nicht.
    Unter israelischem Einfluss stehend, habe ich im Sommer das erste Mal in Deutschland um eine Meinung im Restaurant gebeten. »Was ist besser? Hühnchen oder Rind?«, fragte ich die nette Kellnerin in einem Rügener Gasthof. Meine Eltern schauten mich an, als sei ich gehirnamputiert. Die Kellnerin sagte verdutzt: »Kommt darauf an, ob Sie lieber Hühnchen oder Rind mögen.« Ich fand das sehr unbefriedigend. Eine israelische Kellnerin hätte gesagt: »Na ja. Das Hühnchen ist halt vom Gesamtgeschmack her etwas süßer, während das Rind schärfer zubereitet ist. Außerdem ist das Rind intensiver und sättigender. Hast du denn großen Hunger?«
    In Israel gibt es eine Kultur der Empfehlungen. Egal, was man tut, erst einmal überprüft man anhand vieler verschiedener Meinungen, was für die meisten die beste Option ist. Das dauert natürlich manchmal. Mein wunderbarer Lebensgefährte zum Beispiel hat drei Monate lang überlegt, für welchen Pensionsfonds er sich entscheiden soll. Während ich einfach fix Vor- und Nachteile der Optionen abgeglichen hätte, traf er sich mit fünf verschiedenen Pensionsfondsberatern und sprach mit mindestens zehn verschiedenen Freunden über ihre Erfahrungen. Er möchte sich Zeit nehmen, um die richtige Entscheidung zu treffen, sagte er mir auf Nachfrage.
    Ich glaube, diese Verhaltensweise hat mit dem Einfluss der »jiddischen Mamme« zu tun. Während in Deutschland Kinder von ihren Eltern zu Selbstständigkeit erzogen werden (mehr oder weniger), glaubt man in Israel, das Militär wird’s schon richten (eher mehr als weniger). In ihrer Armeezeit sollen die Kinder Verantwortung übernehmen, reifen und selbstständig werden. Aber auch danach will die jiddische Mamme (wie auch der Rest der Familie, der ja wiederum auch mit einer solchen Mamme aufgewachsen ist) alles wissen und überall mit entscheiden. Ich glaube, deswegen ist es für Israelis nicht ungewöhnlich, im zivilen Teil des Lebens ebenfalls um Rat zu fragen.
    Abgesehen davon verzögert ein langes Herumfragen die tatsächliche Entscheidung. Kein schlechter Nebeneffekt für diejenigen, die sich ungern schnell festlegen. Das entspricht auch der in Israel weitverbreiteten Art, Dinge hinauszuzögern. So erzählte mir meine australische Freundin L. neulich, dass das Heilige Land sie völlig entscheidungsunfähig gemacht hat. Sie weiß oft nicht mehr, was sie will. Vermutlich weil hier alle so lange brauchen, um zu entscheiden, und sie nicht als durchorganisierte Spießerin gelten möchte. Deswegen bittet sie jetzt immer öfter andere Leute um Hilfe und Rat.
    Ich bin da eher so der Einzelgänger. Wenn ich etwas brauche, entscheide ich schnell und endgültig. Außerdem bin ich rechthaberisch und glaube sowieso, dass ich es am besten weiß. So habe ich neulich, entgegen dem Willen meiner besseren Hälfte, einfach so spontan einen Staubsauger gekauft. Er hätte natürlich tagelang recherchiert und verschiedene Verwandte und Bekannte zu ihren Erfahrungen befragt. Ich bin einfach in den Laden gegangen, habe dem Verkäufer gesagt, was ich will, und mitgenommen, was er mir anbot.
    Der Staubsauger funktioniert leider wenig bis gar nicht. Ständig muss man das Sieb reinigen, selbst wenn es nur halb voll ist. Saugen tut das Ding auch dann kaum, und lautstärketechnisch könnte man genauso gut mit einer Kettensäge durch die Wohnung rennen. Das ist natürlich alles ein großer Komplott der israelischen Gesellschaft. Sie wollen mich in die Knie zwingen und zu einem Teil ihrer Empfehlungskultur machen. Doch da mache ich nicht mit. Und so reinige ich weiter mit der Staubsaugerattrappe. Es ist hart, es ist anstrengend und es bringt nichts. Doch es ist meine freie Entscheidung. Ich bin und bleibe mein eigener Herr. Oder empfehlen Sie mir etwas anderes?

Die Deutschen
    Wenn die Deutschen in der Wüste sitzen, mögen sie es ruhig. Ich weiß das, weil es mir vor einigen Jahren passiert ist. Mein wunderbarer Lebensgefährte und ich nahmen an einer Negev-Nacht-Wüsten-Wanderung teil, die von meinem Studentenaustauschprogramm organisiert wurde. Wir beide, 32 Deutsche und ein israelischer Sicherheitsmann. Der Personenschützer muss hier ab einer Gruppe von soundso vielen Leuten immer mit und trabt dann gelangweilt, aber bis an die Zähne bewaffnet, hinter einem her.
    Die Wüste ist in der Nacht ganz schwarz. Weil man nichts sehen kann, funktioniert

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