Guten Morgen, Tel Aviv
jetzt unbedingt Rabbi werden.
Weihnachtswunder
Gestern irrte ich am Checkpoint Bethlehem herum. Dieser Grenzübergang trennt Israel von den palästinensischen Autonomiegebieten. Er heißt eigentlich »Rachels Tomb«, weil sich dort das Grab von Rachel, eine der Mütter der Stämme Israels, befinden soll. Nachdem ich am späten Nachmittag die Halle betreten hatte, deren Ausgang zurück nach Israel führen sollte, stand ich alleine in dem kalten großen Raum. Rechts von mir führten verwinkelte Gänge zu metallischen Drehgittern, links von mir hingen Plastikgrünpflanzen an der Wand. Ich finde Plastikgrünpflanzen schon schlimm genug, aber zu allem Übel wusste ich nicht, wo ich hin sollte. Keine der Drehtüren zeigte ein grünes Ampellicht. Nirgendwo war eine Menschenseele zu sehen. Nur stumme Kameras schauten mich an.
Am Ende des Ganges befand sich eine Tür, auf der in Grün »Exit« stand. Ich öffnete sie ein Stück, aber sie schien ins Nichts zu führen. Ich lief auf und ab, rief »Hallo, Hallo, Schalom, Schalom«. Nichts. Als ich die Exit-Tür nochmals öffnen wollte, war sie wie von Zauberhand geschlossen. Wahrscheinlich saßen irgendwo, wie früher Hans Elsner bei der »Versteckten Kamera«, junge Soldaten vor milchigen Bildschirmen und lachten sich tot über mich. Nach einer gefühlten Ewigkeit hörte ich schließlich aus knarrenden Lautsprechern eine unfreundliche Stimme, die mich informierte, dass das »Gate« nun geöffnet sei. Sie kam aus dem Nichts. So fühlt man sich also, wenn man Gott hört, dachte ich.
Ich war nach Bethlehem gefahren, um ein bisschen Weihnachtsflair zu finden. Es ist nicht so, dass ich besonders weihnachtsverrückt bin. Aber im jüdischen Staat merkt man leider so gar nichts von besinnlicher Stimmung. Der blaue Himmel und die 20 Grad helfen auch nicht gerade. Also dachte ich mir, wohin zu Christus’ Wiegenfest, wenn nicht nach Bethlehem. Und tatsächlich, die Stadt in der Westbank war nicht nur weihnachtlich mit Lichtern dekoriert, an jeder Ecke standen Weihnachtsmänner und glitzernde Bäume. Aus Souvenirläden tönte »Jingle Bells« auf Arabisch. Es war also praktisch wie zu Hause. Meine erste Station auf der Suche nach dem Fest der Liebe war der Franziskanermönch Brother Louis, der direkt neben der Geburtskirche Jesu im Kloster lebt.
Der grauhaarige, bärtige 64-jährige Mann sah in seiner braunen Kutte auch tatsächlich wie der Weihnachtsmann persönlich aus. Wer aber bei Brother Louis eher an Modern Talking denkt, liegt gar nicht so falsch. Nicht nur mochte der andauernd stark hustende Mönch Weihnachten nicht und fand das Ganze irgendwie verlogen, er eröffnete mir auch noch, dass er seine eigentliche Berufung darin sehe, Manager von einem jungen palästinensischen Hip-Hoper zu sein. In der Hoffnung, doch noch ein Stück weihnachtliche Stimmung in der Kirche aller Kirchen mit Brother Louis zu finden, ließ ich mich von ihm überzeugen, bei der Prozession mitzumachen. Jeden Tag um zwölf Uhr schreiten die Franziskanermönche nämlich feierlich durch die Katakomben zwischen Geburtskirche und katholischer Kirche nebenan.
Sieben Mönche, eine Nonne, ein Priester, ein Teilzeit-Religiöser (es handelte sich hierbei um einen arabischen Familienvater, der täglich zur Prozession kommt, sich in einen festlichen Umhang wirft und das religiöse Ritual mit leitet) und ich. Die Atheistin. Leicht verunsichert trabte ich mit einer Kerze in der Hand den singenden Mönchen hinterher. Die beiden Chef-Prozessoren schwenkten schwungvoll die Rauchfässer mit Weihrauch. Wir kletterten über steile Treppen durch verwinkelte Gänge von der Geburtsstelle in einen Kellergang. Der Weihrauch biss mir in Nase und Augen. Nun war mir auch klar, woher Brother Louis’ Husten kam. Einzig allein ein schwarzer Mönch mit Adidas-Turnschuhen gab mir das Gefühl, doch nicht ganz fehl am Platz zu sein.
Kurz nach diesem eher absurden als weihnachtlichen Erlebnis saß ich im Büro von Khouloud Daibes-Abu Dayyeh. Die ehemalige Hannoveranerin ist seit 2007 palästinensische Ministerin für Tourismus und Altertümer. Für sie ist Bethlehem vor allem eine symbolische Verbindung zur »richtigen Welt«, denn, so beschreibt es die 44-Jährige: »Wir besitzen historische und religiöse Stellen, die für die ganze Welt eine Bedeutung haben.« Auf ihrem Tisch standen ein Weihnachtsgedeck und ein Korb mit Plätzchen. An der Wand hingen die Portraits von Arafat und Abbas. Frau Daibes ist Katholikin. Sie vermisse einiges
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