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Guter Rat ist leise

Guter Rat ist leise

Titel: Guter Rat ist leise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angie Mienk
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auch noch krank und ich musste ihr täglich Spritzen und Medikamente verpassen, was unserer Beziehung mehr schadete als nützte. Da ich die Dinge, die mich störten, niemals aussprach konnte mich auch niemand aus diesem Jammerverhalten herausholen. Man wunderte sich nur, welch merkwürdiges Verhalten wir beide miteinander an den Tag legten. Mimei war seit Langem der erste Hund, dem ich als Erstes „Sitz!“ und „Platz!“ abverlangte (sie macht es bis heute nicht und das ist nun fast ein halbes Jahr her).
    Vor zwei Monaten dann kam die Wende: Mimei reagierte auf ein Medikament allergisch und wurde nun richtig krank. Sie konnte nicht richtig laufen, fiel teilweise um, hatte erhebliche Kreislaufprobleme und ich fuhr mit ihr in die Klinik. Während der bangen Zeit im Wartezimmer, in der sich die Tierärzte um Mimei kümmerten, hatte ich Muße nachzudenken. Ich war schuld, nur ich allein. Nun brauchte Mimei eine Bindung, eine ganz enge, sonst würde sie sich aufgeben. Ich sah ein, dass ich – wohl aus dem Gefühl heraus, dass ich sie doch irgendwann abgeben müsse – einfach emotional „dicht gemacht“ hatte. Ich liebte sie, aber ich traute mich nicht, ihr das zu zeigen. Sie hatte alles getan, um meine Aufmerksamkeit zu erhalten, es war ihr sogar lieber, wenn ich sie ausschimpfte, als sie gar nicht zu beachten. Das arme Tier. Noch im Wartezimmer beschloss ich, dass – egal, was auch geschieht, Mimei für immer bei uns bleiben würde. Das Bewusstsein allein änderte schon meine gesamte Gefühlswelt. Endlich erlaubte ich mir selbst, Mimei so zu lieben wie unsere anderen Hunde, endlich öffnete ich mich und konnte eine Bindung zu Mimei herstellen. Mir ging es gleich besser. Aber was war mit Mimei? Es dauerte noch eine Stunde, bis der Arzt mich hineinließ. Was er mir dann erzählte, war erstaunlich: Mimei war fast gestorben. Sie musste wiederbelebt werden und niemand hatte geglaubt, dass sie durchkommt. Vor eineinhalb Stunden plötzlich kam offensichtlich der Lebenswille in den Hund zurück (beachte einmal die Zeiten), sie kämpfte urplötzlich um ihr Leben, ließ sich nicht mehr „hängen“. Als ich mit dem Arzt zu ihr kam, war Mimei noch schwach, sie robbte jedoch auf mich zu und vergrub ihren Kopf in meinem Arm. Das hatte sie noch nie getan. Mir liefen die Tränen über die Wangen.
    Was soll ich noch sagen: Mimei ist wieder völlig gesund, sie hat seither nichts mehr angestellt und kommt, wenn ich am Computer sitze, um ihren Kopf in meinem Arm zu vergraben. Sie bleibt – und sie will bleiben, egal was geschieht. Unsere Bindung ist jetzt sehr eng und zum großen Teil funktioniert auch schon die „unsichtbare Leine“.
     
     
     
     
    Du siehst also, auch ich bin eben nur ein Mensch und flüchte mich gerne in das Jammerverhalten, nach dem Motto: Ich kann doch nichts dafür – der Hund ist …
    Wenn Du einmal alle Geschichten hier liest, wirst Du erkennen, dass jede mit der ein oder anderen Art des Jammer- und Schuldzuweisungsverhaltens begann. Wenn wir aufhören, die Fehler bei anderen (das gilt nicht nur für Hunde) zu suchen, wird unsere Beziehung besser und enger. Wir müssen lernen, Gefühle zuzulassen und sie zu zeigen. Nur dann kann eine so enge Bindung und damit auch eine Verbindung entstehen.
    Wie sieht es denn bei Dir aus? Findest Du die Fehler bei Deinem Hund oder bei Dir? Bist Du in der Lage, Deinen Hund uneingeschränkt und bedingungslos zu lieben? Oder ist Deine Erwartungshaltung so, dass Du jedes Mal enttäuscht bist, wenn etwas nicht so funktioniert, wie Du es Dir vorstellst?
    Leider höre ich auch immer wieder: „Ich kann das nicht, der Hund reagiert überhaupt nicht auf mich“ und so weiter. Solche Sätze spiegeln das Jammerverhalten wider wie nichts anderes. „Ich kann nicht“, heißt einfach: „Ich bin zu faul, mich damit auseinanderzusetzen“. „Der Hund reagiert nicht auf mich“, heißt einfach: „Das macht mir Arbeit, dazu bin ich nicht bereit“. „Ich habe es versucht, aber ich schaffe es einfach nicht“ heißt nichts weiter als: „Warum soll ich mich länger darum bemühen – mit Gewalt und herkömmlichen Methoden geht’s doch schneller.“ (In dem Fall frage ich mich dann ernsthaft, warum die- oder derjenige zu mir kommt. Doch wohl deshalb, weil es eben nicht funktioniert hat.)
    Ich gebe gerne zu, es ist das Schwerste, was man von uns Menschen verlangen kann:
     
     
     
    umdenken, fühlen und an sich selbst arbeiten. Ganz abgesehen davon, fällt es uns ja so unsagbar

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