Guter Sex Ohne Stress
Alles muss sich als Familie erst neu einspielen – auch der Sex! Bei vielen jungen Eltern herrscht Flaute in den Betten nach der Geburt der lieben Kleinen. Auch Kathrin besuchte mich drei Monate nach der Geburt von Hannah in der Sprechstunde. »Ich hab wieder nur wenig Lust auf Sex mit Daniel. Sogar zur Selbstbefriedigung fehlt mir irgendwie die Muse. Dabei war ich doch so stolz darauf, dass es zwischen meinem Mann und mir sexuell wieder richtig gut lief. Nicht, dass Daniel drängelt. Er ist richtig fürsorglich zu Hannah und mir. Aber ich hab Bedenken, dass es mit unserem Sex wieder bergab geht.«
Ich erzähle Kathrin, dass sie sich keine Sorgen zu machen braucht. Nach einer Geburt verspüren nämlich die meisten Frauen erst einmal kein Interesse an Sex, denn die Natur startet in dieser Zeit das hormonelle Programm für »Nestbau und Brutpflege«. Die Hirnanhangsdrüse arbeitet auf Hochtouren, um alle Hormone auf die veränderte Situation der frischgebackenen Mutter einzutakten. Das Schwangerschaftshormon fällt im Blut steil ab, dafür schnellen die Werte für Prolaktin und Oxytocin rasant in die Höhe. Prolaktin, das ja bekanntlich das »Ausruh-Hormon« nach dem Sex ist, sorgt jetzt nicht nur für die nötige innere Ruhe, sondern zusätzlich für eine ordentliche Milchproduktion für den Nachwuchs. Und damit die Mutterliebe zu dem kleinen neuen Erdenbürger wächst, wird mit jedem Saugreiz beim Stillen ganz viel vom »Bindungshormon« Oxytocin freigesetzt. Verglichen mit der Hormonregulation beim Sex befindet sich die Frau in einer Art Dauerrausch wie kurz nach dem Orgasmus – müde, aber glücklich. Da wundert es nicht, dass ihrem Empfinden nach die Aussicht auf Sex nicht so verlockend erscheint, zumal sich≈ja auch der Körper mit seinen intimen Funktionen erst Schritt für Schritt wieder auf »nicht-schwanger« umstellt. Die Scheide muss erst wieder in »Übung« kommen, um bei sexueller Erregung genügend Feuchtigkeit zu produzieren und sich so auszudehnen, dass der Penis angenehm darin gleitet. Deshalb kann es bei den ersten Versuchen danach auch mal reiben oder schmerzen, besonders, wenn bei der Geburt »geschnitten« wurde. Aber keine Angst, die meisten Missempfindungen verlieren sich nach und nach beim Üben. Wer beim Sex jedoch anhaltende Beschwerden hat, sollte sich vom Frauenarzt untersuchen und entsprechend behandeln lassen.
Die körperlichen Umstellungen nach einer Geburt bereiten den meisten Frauen allerdings weniger Schwierigkeiten als die Aufgabe, fortan nicht nur Partnerin, sondern auch Mutter zu sein – dem Partner und dem Kind gleichermaßen Liebe zu schenken. Dieser emotionale Spagat kann zur körperlichen und seelischen Überforderung führen. Als Folge will sie im wahrsten Sinne des Wortes niemand mehr so nah an sich heranlassen. Wenn der Partner dann nicht weiß, was los ist, fühlt er sich zurückgesetzt und beide sind frustriert. Denn unabhängig von den körperlichen Veränderungen gilt es für den Mann gleichermaßen, seinen Platz in der neuentstandenen Familie zu definieren. Und wenn diese Aufgabe nicht schon anspruchsvoll genug wäre, bleiben Mann und Frau ja auch noch Teil der Leistungsgesellschaft. Egal, ob ein oder beide Partner arbeiten, bedeutet Familienleben Organisation, Organisation und noch mal Organisation. Bei all den Aufgaben im Job, Haushalt und Kinderbetreuung planen nicht wenige Paare die Zeit für gemeinsame Stunden zu zweit gar nicht erst in ihre Routine ein. Dabei sind Rituale im Alltag als Eltern umso wichtiger, wenn man nicht nur ein gut eingespieltes Team, sondern auch ein lebendiges Liebespaar sein und bleiben möchte. Das bedeutet mehr denn je, Entspannungsinseln im anstrengenden »Tagein-Tagaus« zu schaffen, in denen man sich gegenseitig seine Achtung und Zuneigung ausdrückt – in Worten als auch in Gesten. Einfach mal durchatmen, quatschen, auftanken, in den Arm nehmen – ohne Sorge, dass man Rabeneltern abgibt. Es sollte jede Woche »heilige Zeiten und Orte« geben, wo sich Mann und Frau ungestört als Paar begegnen können. Wenn sich die Eltern regelmäßig Zeit für sich und ihre (intime) Beziehung gönnen, haben sie nicht nur die Chance auf ein gutes Sexleben, sondern auch auf ein entspanntes Familienleben. Ja, Eltern-Sex benötigt mehr Planung. Aber wer sagt eigentlich, dass Sex kein guter Plan ist? Man kann sich auch im Takt der Kinder leidenschaftlich lieben, wenn man die Zeit zu nutzen weiß.
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