Guter Sex Ohne Stress
Problem hat. »Ein anderer« bittet mich dann nicht selten ein paar Tage später um einen Termin bei mir in der Praxis. Es geht aber auch anders.
Die Situation sehe ich noch in Gedanken vor mir. Ich hatte soeben meinen Vortrag über Sexualtherapie auf einer Fortbildung für Urologen beendet. Nach einigen Fragen und Kommentaren leerte sich der Saal so langsam bis auf den letzten Platz. Ich packe meine Sachen zusammen und will gerade durch die Tür gehen. Da tippt mich jemand von hinten auf die Schulter. »Frau Kollegin, warten Sie doch bitte mal kurz!« Ich drehe mich um und blicke in das Gesicht eines jungen, attraktiven Mannes. »Haben Sie noch Zeit für einen Kaffee? Ich würde Sie gern noch etwas fragen.« Wer jetzt denkt, der Kollege und ich hätten gleich darauf heftig geflirtet, täuscht sich.
Jochen ist 35 Jahre alt und betreibt erfolgreich eine eigene urologische Praxis. Es sei ihm ganz schön peinlich, mich auf diese Weise anzusprechen. Schließlich sei er doch vom Fach. Aber er wisse sich mittlerweile keinen Rat mehr. »Ich dachte mir, wenn ich die Gelegenheit jetzt nicht beim Schopf packe und Sie um Hilfe bitte, bin ich ganz schön blöd! Denn ehrlich gesagt, ich hab schon genug Zeit vertrödelt.« Jochen erzählt mir, dass er seit drei Jahren an Erektionsstörungen leidet. Natürlich hat er sich selbst auf den Kopf gestellt und alle nötigen medizinischen Untersuchungen abgearbeitet. Aber organisch sei alles tipptopp. Ab und zu nehme er mal Viagra. Schadet einem gesunden Mann ja nicht. Aber eine Dauerlösung könne das doch nicht sein. »Bei mir ist ein totaler Knoten im Kopf. Den krieg ich da allein nicht mehr raus. Kann ich bei Ihnen eine Therapie anfangen?« – »Klar!«, sage ich. Ich glaube fast zu hören, wie Jochen ein Stein vom Herzen fällt. Mit meiner Visitenkarte in der Hand und einem Lächeln im Gesicht verabschiedet er sich.
Wann spricht man eigentlich von einer Erektionsstörung? Ich erlebe es nicht selten, dass mich verunsicherte Männer nach einem einmaligen Hänger fragen, ob sie nun impotent seien. Da kann ich sie meistens beruhigen. Übrigens benutzen Sexualwissenschaftler heutzutage den Begriff Impotenz nur noch ungern, weil ihn die meisten Menschen umgangssprachlich oft abwertend und gleichbedeutend für mangelnde Männlichkeit verwenden. Korrekt definiert sprechen Ärzte und Therapeuten erst dann von einer Erektionsstörung, wenn der Mann seit mehr als einem halben Jahr unfähig ist, eine genügend feste Erektion zum Einführen des Penis zu bekommen bzw., er die Erektion beim Verkehr nicht halten kann. Nach dem Marktstart von Viagra vor 12 Jahren hätte man glauben können, die Penisse der Männer auf der ganzen Welt wären in einen Generalstreik getreten. Wie von Zauberhand schnellte das Auftreten von Erektionsstörungen auf einmal steil in die Höhe. Nicht etwa, dass die Firma Pfizer zur Profitsteigerung den Männern einen bösen Fluch auf ihren Penis gelegt hätte. Tatsächlich fassten sich Millionen Männer auf einmal ein Herz und gingen zum Arzt, um sich helfen zu lassen.
Und diese Mutigen waren keinesfalls nur graumelierte Herren. Bereits ab dem 40. Lebensjahr macht bei jedem fünften Mann das beste Teil schlapp. Bei den über 70-Jährigen trifft es bereits jeden zweiten. Obwohl laut Expertenschätzungen allein in Deutschland über sechs Millionen Männer von Erektionsstörungen betroffen sind, lassen sich gerade mal etwa zehn Prozent adäquat behandeln. Auf der einen Seite wissen immer noch viele Betroffene nicht, dass ihnen wirkungsvolle Hilfe zur Verfügung steht. Und manchmal wissen die Männer auch einfach nicht, an welchen Arzt sie sich mit dem schambesetzten Thema wenden sollen. Auf der anderen Seite leidet längst nicht jeder Mann unter seiner Erektionsstörung. Manche haben sich mit der Partnerin arrangiert, befriedigen sich mit alternativen Techniken gegenseitig oder verzichten einvernehmlich auf Sexualität.
Psyche oder Körper?
Vor der Erfindung von Viagra hielten sowohl Laien als auch die meisten Wissenschaftler Erektionsstörungen vor allem für ein psychisches Problem. Heutzutage wissen wir dank moderner Untersuchungstechniken: Es ist genau anders herum. Bei rund einem Drittel der Männer verhindert der Kopf eine ausreichende Standfestigkeit. Bei zwei Drittel sprechen die Ärzte von sogenannten Mischformen. Das bedeutet, es gibt eine organische Ursache wie zum Beispiel eine Durchblutungsstörung, aber zusätzlich drückt die mangelnde Manneskraft auf
Weitere Kostenlose Bücher