Guter Sex Trotz Liebe

Partner, deren Unterschiede deutlich hervorstechen: So viel Gegensätzlichkeit muss sich ja attraktiv finden!

    Beide Sprichwörter fassen jeweils eine Teilwahrheit zusammen. Jede für sich wäre kritisch: Bestünde die Beziehung nur aus Gegensätzen, würden sich die Partner schnell entfremden. Vollständige Übereinstimmung – das andere Extrem – sieht wie Harmonie aus, ist aber das Gespenst der Langeweile, in der es nichts mehr zu sagen gibt, weil schon vorher alles klar ist.

Die beiden Pole ausbalancieren
    Deshalb liegt der Reiz einer erotischen Beziehung in der Balance dieser beiden Pole. Diese können sich im schlechten Fall bekämpfen, im günstigen Fall beleben. So entwickelt sich eine Paarkultur. Und eine sexuelle Kultur. Die Partner definieren damit, wie sie sich sexuell begegnen, was ihnen wertvoll ist, welche Regeln und Ideale gelten. Sie entwickeln miteinander Vorstellungen, was sie ablehnen und anstreben, was sie als guten, was als schlechten Sex ansehen, welche Wünsche sie als berechtigt, welche als unberechtigt ansehen, wie ernst oder spielerisch sie ihre erotischen Begegnungen inszenieren. Zu einer sexuellen Kultur gehören auch Rituale.Paare entwickeln also sexuelle Umgangsformen. Damit regeln sie, wer wie eine sexuelle Begegnung initiiert, in welcher Situation, an welchem Ort, in welcher emotionalen Stimmung sie stattfinden sollte. Die Rituale umfassen nicht nur die kulturell üblichen sexuellen Benimmregeln, also die Vorstellung, was von Männern und was von Frauen erwartet wird. Jedes Paar entwickelt seine eigenen speziellen Nuancen.

    Fallbeispiele
    Für Ilse und Heinz ist es klar, dass sie sich vor dem Sex duschen und die Zähne putzen .
    Für Emilio und Esther gehört es dazu, dass sie sich nach dem Sex waschen .
    Elisa und Marco, die sich wenig sehen, haben sich angewöhnt, beim Wiedersehen erst übereinander herzufallen und sich halb ausgezogen mit einem Quickie zu begrüßen und sich im Verlauf des Abend ausführlicher sexuell miteinander zu befassen .
    Anka ist irritiert, wenn ihr Michel beim Vorspiel nicht ins Ohr flüstert, dass er sie liebt. Diese verbale Geste gehört für sie dazu .

    So haben alle Paare bestimmte Stile und Rituale, wie sie es miteinander treiben. Dazu gehören Signale, mit denen sie den Übergang vom Plaudern zum Sex kennzeichnen (»Jetzt geht es los«), wie sie das Tempo der Interaktion regeln und wie sie die sexuelle Interaktion beenden, wann »fertig« ist. Aber auch die Umgebung, die sie sich beim Sex schaffen. Für das Paar A gehören Wein und Kerzen selbstverständlich dazu, für das Paar B die unaufwändige Nummer vor dem Einschlafen, für das Paar C das Outfit, wenn sie sich für ihren Besuch im Swinger-Club bereit machen. Und das Paar D kann sich guten Sex nur am Wochenende nach dem Frühstück im Bett vorstellen.
Die Nische

    Der Paartherapeut Jürg Willi hat für die Analyse der Paarkultur den Begriff der »Nische«. Er versteht darunter den Teil der Umwelt, den ein Paar selbst wählt, gestaltet oder schafft und der zur aktiv gebauten »Behausung« geworden ist. Die Nische enthält sowohl unbelebte Teile wie Wohnung und Besitz als auch belebte wie Kinder, Freunde und Verwandte. Indem das Paar seine Nische gestaltet und ausbaut, schafft es eine eigene Umwelt, die wiederum auf das Paar zurückwirkt. Die Nische enthält also die Spuren der eigenen Geschichte. Mit der Gestaltung geht eine Begegnung von einer folgenlosen Liebschaft in eine Paarbeziehung über. Erst damit wird sie für die Umwelt sichtbar und hinterlässt als historisches Faktum nicht auslöschbare Spuren. Dies spielt auch bei Trennungen und neuen Paarkonstellationen eine große Rolle.

    Ãœbung 12: Was macht unsere erotische Gemeinsamkeit aus?
    Dies ist eine Übung für beide Partner.
    Nehmen Sie ein großes Blatt Papier, mindestens DIN A3. Auf dieses Blatt malen Sie einen Kreis. Er soll Ihre erotische Nische darstellen. Besprechen Sie dann, was in Ihre erotische Nische hineingehört. Schreiben Sie das in den Kreis.
    Und besprechen Sie, was nicht hineingehört. Schreiben Sie dies außerhalb des Kreises.
    Lassen Sie sich dafür Zeit! Sie haben nichts davon, wenn Sie nur »Zärtlichkeit« in den Kreis schreiben und »Gewalt« außerhalb. Überlegen Sie Feinheiten. Überlegen Sie, ob es Verhaltensweisen oder Eigenschaften gibt, die Sie