Gwen (German Edition)
vor den Grundstein und hielt ihn dort an. Im Außenspiegel sah Gwen Statlers erstauntes Gesicht. Ihr Herz zappelte wie einer von Sams Fischen zu ihren längst vergangenen Lebzeiten.
Norman öffnete die Beifahrertür und half Gwen, auf das Dach des LKWs zu klettern, indem er, auf de m Beifahrertrittbrett stehend, beherzt ihren Hintern stützte und sie hochstemmte. Als sie oben war, reichte er ihr das Megaphon. Dann sprang er vom Laster, rannte nach hinten und löste die Verschlüsse der Ladeklappe.
Die Menschenmenge sah Gwen an, als wäre sie einem Ufo entstiegen, als sie mit zitternden Knien auf dem LKW-Dach stand und das Megaphon an den Mund nahm. Sie war sich sicher, keinen Ton herauszubringen.
Aber dann lächelte ih r Norman vom hinteren Ende des Lasters aufmunternd zu. Sie hörte das Murmeln des Flusses nebenan, das wie ein Flehen klang, und sie rief: „Bürger von Catnecktown! Lasst euch von Statler nicht kaufen! Wenn diese Fabrik in Produktion geht, wird aus den Abflussrohren tödliches Gift in den Catneck River gelangen. Euren Fluss! Bald werden eure Kinder dort nicht mehr spielen können, ohne sich die Haut zu verätzen. Die Wasservögel, Frösche und Schildkröten werden sterben, von Geschwüren übersät. Und die Fische ...“, das war das Stichwort für Pat, und Gwen wiederholte so laut sie konnte: „Und die Fische im Catneck River werden bald so aussehen wie diese hier!“
Man konnte aus dem Führerhaus des Lasters nur ein leises „Scheiße, Scheiße, Scheiße ...“ vernehmen, als Pat die Ladefläche kippte. Eine Woge von stinkenden Fischabfällen ergoss sich über den ehrwürdigen Grundstein, schlidderte bis zur Rednerbühne und schwappte von dort träge zurück.
Dirk Statler stand bis zu den Waden darin.
Als Gwen in sein Gesicht sah, entdeckte sie dort selbst auf die Entfernung hin die entschlossene Aggression von tausend Massenmördern. Sie beeilte sich, herunter vom Dach des Führerhauses zu kommen. Norman half ihr, sprang auf den Beifahrersitz, zog Gwen ins Wageninnere und schlug die Tür zu. Pat fuhr los. „Scheiße, Scheiße, Scheiße, Scheiße ...“
Sie kamen jetzt schneller voran, da die Mensche ngasse, die der LKW freigepflügt hatte, noch immer größtenteils erkennbar war. Sie fuhren unbehelligt vom Werksgelände, durch das Industriegebiet, quer durch die Stadt und zu Pats und Gwens Wohnung.
Sichtlich erleichtert überließ Pat Norman den Laster, damit er ihn zu Sam zurückbringen konnte, und seufzte etwas, das wie Zustimmung klang, als Gwen verkündete, sie bräuchte zuerst einmal einen Eistee.
Während sie Eist ee tranken, sprachen sie kein Wort, sondern sammelten ihre Kräfte für die Reporter, die Gwens Meinung nach sicher kommen würden.
Und sie kamen.
Nach und nach trudelten neben den Journalisten auch alle Catnecktowner Survival-Mitglieder ein - stattliche 17 inzwischen - wodurch das Wohnzimmer aus allen Nähten platzte. Gwen verteilte die vorformulierte Presseerklärung, beantwortete alle Fragen und nützte die Gelegenheit, Survival USA der amerikanischen Öffentlichkeit vorzustellen und Statler-Tec ins rechte Licht zu rücken.
Als schließlich alle gegangen waren , spülten Gwen und Pat die vielen benutzten Gläser und Tassen per Hand, da sie sich keine Spülmaschine leisten konnten. Dabei schwelgte Gwen in dieser erschöpften Zufriedenheit, die eine gelungene Survival-Aktion auszeichnete und die sie sich heute redlich verdient hatte.
„Ich hatte ja meine Zweifel, ob das alles gut geht.“ Pat trocknete ein Wasserglas ab.
Gwen legte die Kaffeelöffel ins Spülwasser. „Ich auch.“
„Aber es scheint ein voller Erfolg zu sein.“
„Zeit fü r das nächste Projekt!“
„Was?“ Pat fiel das Geschirrtuch aus der Hand.
Gwen hob es auf. „Man darf den Feind nie zur Ruhe kommen lassen.“
„Aber was hast du denn jetzt schon wieder vor, noch bevor ich mich von der Sache heute erholt habe?“
„Keine Sorge, ich brauche dich dazu nicht. Ich mache das alleine. Eigentlich ist es keine richtige Aktion, nur eine kleine Erkundung. Ich will einfach wissen, was Statler als nächstes plant, ich will Baupläne einsehen, Termine und so weiter.“
„Und wie willst du das hinkriegen?“
„Ich gehe in das Bürogebäude, schließe mich in der Toilette ein, bis alle gegangen sind, und nehme mir Statlers Schreibtisch vor. Und zwar heute. Das ist mein Plan.“
„Heute?“
„Heute ist es am günstigsten. Wegen der Grundsteinlegung haben sie Tag der offenen Tür. Wenn
Weitere Kostenlose Bücher