Gwen (German Edition)
diese Gegend gelangt. Es war das alte Industriegebiet , das bald dem Erdboden gleichgemacht werden sollte, um es dem neuen, sich um Statler-Tec gruppierenden Gewerbepark angliedern zu können. Bis dahin jedoch war es die deprimierendste Gegend auf der ganzen Welt.
Schluchzend vor Erschöpfung lehnte sich Gwen an eine der halb verfallenen Mauern. Dann hielt sie die Luft an. Täuschte sie sich? Nein, sie konnte es deutlich hören, als ihr Keuchen nachließ. Rockmusik drang an ihr Ohr, ganz leise nur, aber es war keine Einbildung. Plötzlich dämmerte es ihr: Die Broken Catnecks hielten im alten Industriegebiet ihre wöchentlichen Rockertreffen ab. Sie pflegten bei Sam’s Hams regelmäßig damit zu prahlen und Gwen dazu einzuladen. Mit neuer Kraft begann sie wieder zu rennen, immer auf die Musik zu.
Sie sah den Schein eines großen Lagerfeuers inmitten eingestürzter Steinmauern, reflektiert durch chromblitzende Motorräder und die Metallnieten an den Lederwesten der Biker.
„Ich … brauche … eure … eure … Hilfe!“ Gwen schnappte nach Luft und erntete verdutzte Blicke, als sie in die Versammlung platzte.
Ein stämmiger, über und über tätowierter Mann in abgescha bter Lederkluft, den Gwen nur ein oder zweimal bei Sam’ Hams gesehen hatte, erhob sich vom Boden und baute sich vor Gwen auf.
„Da bist du bei uns falsch, Kleine“, informierte er sie höhnisch. „Wir sind hier nicht die Pfadfi nder, weißt du!“ Die anderen lachten auf.
„Ein Mann … ihr kennt ihn …“, stammelte Gwen, „Dirk Statler … ist in großer Gefahr! Männer wollen ihm … etwas Schreckliches antun. Bitte helft ihm!“
„Und was würde dabei für uns rausspringen ?“, erkundigte sich der Tätowierte ungerührt.
„Ich habe kein Geld bei mir“, gestand Gwen. „Aber er hat genug Geld. Er wird euch sicher großzügig entlohnen.“
„ Ach ja?“ Der Tätowierte zeigte quälende Begriffsstutzigkeit. „Und woher soll ich wissen, ob der mit der Kohle rausrückt? Das ist mir zu unsicher.“ Er wandte sich desinteressiert ab.
Verzweiflung packte Gwen, und sie schrie: „ Ich treibe es mit jedem von euch, wenn ihr ihm helft! “
Die Biker signalisierten Zustimmung, nur ein paar Frauenstimmen protestierten.
„Das ist ein Wort, Süße !“ Der Tätowierte drehte sich wieder zu ihr um. „Also, mal der Reihe nach! Wer ist der Typ, dem wir helfen sollen?“
„Dirk Statler !“ Sie betonte die Dringlichkeit der Sache, indem sie den Tätowierten mit beiden Händen an der Lederweste packte und daran zerrte.
„Hey“, einer der Biker tauchte neben dem Tätowie rten auf, „du bist doch die Kleine von Sam’s Hams . Du meinst doch nicht den Germanen, der dich in den Saft getaucht hat? Dirk Statler?“ Dabei nannte er Statlers Namen in der amerikanischen Sprechweise, und erst jetzt merkte Gwen, dass sie ihn vor Aufregung in der vertrauten deutschen Version ausgesprochen hatte.
„ Ja! “, kreischte sie, noch immer in die Lederweste des Tätowierten gekrallt. „ Bitte, wir haben keine Zeit zu verlieren! “
„Warum hast du das nicht gleich gesagt ?“, tönte der Tätowierte wohlwollend. „So wie du gekeucht hast und noch dazu bei deinem komischen Dialekt konnte man seinen Namen ja gar nicht verstehen. Der Germane ist einer von uns. Er hat zehn Riesen locker gemacht für unser neues Clubhaus. Er hat Ärger, sagst du?“
„Ja, er wurde betäubt und entführt. Was die Kerle ihm antun wollen, weiß ich nicht, doch es ist b estimmt etwas Furchtbares. Er ist in einem Lagerhaus hier in der Gegend. Bitte beeilt euch! “ Sie begann erneut, an der Lederweste zu rütteln.
„Wie viele sind es ?“, fragte der Tätowierte nervtötend gelassen.
„Sieben. Vermutlich bewaffnet.“
„Okay, auf die Schüsseln, Bros!“ Der Tätowierte befreite sich aus Gwens Klammergriff. Ein Gegenstand kam geflogen, den er geschickt auffing. Gwen erkannte eine Schrotflinte und dankte allen Göttern, dass die üblen Gerüchte, die über die Broken Catnecks kursierten, allesamt der Wahrheit entsprachen.
„Los, steig auf , Kleine!“ Der Tätowierte deutete auf ein großes Motorrad, auf dessen aufwändiger Tankbemalung sich eine nackte Frau mit einer Schlange um die Wette räkelte. Gwen kletterte auf den Rücksitz. Der Tätowierte stieg vor ihr auf die Maschine, drückte ihr die Waffe in die Hand und fuhr los. Die anderen Motorräder folgten.
Indem sie ihm auf die linke oder rechte Schulter tippte, dirigierte Gwen ihren Fahrer in die g
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