Gwydion 01 - Der Weg nach Camelot
die er von den Römern übernommen hat, wie zum Beispiel das Badehaus. Wenn es Camelot nicht mehr gibt, wird die Welt in Dunkelheit und Barbarei versinken.“
Plötzlich kam Gwyn seine Schreckensvision im Badehaus in den Sinn. Er spürte wieder die Verzweiflung, die sich seiner beim Anblick des toten Königs bemächtigt hatte. „Was ist mit dir?“, fragte Sir Urfin besorgt. „Du bist auf einmal ganz blass geworden!“
„Es ist nichts“, sagte Gwyn mit leise zitternder Stimme, doch Sir Urfin war schon aufgestanden.
„Trink das“, sagte er und reichte Gwyn einen Becher mit Wasser. „Ich denke, ich sollte einmal mit Sir Kay reden. Normalerweise ist es ein ungeschriebenes Gesetz, dass sich kein Ritter in die Angelegenheiten eines anderen Edelmannes einmischt, aber ich glaube, dieses Mal ist er zu weit gegangen.“
„Bitte, tut es nicht“, sagte Gwyn hastig. Er überlegte kurz, ob er Sir Urfin von seiner Vision berichten sollte, entschied sich dann aber anders. Gwyn wollte nicht, dass Sir Urfin glaubte, Sir Kay habe ihm zu allem Überfluss auch noch einen Schlag auf den Kopf verpasst. „Glaubt mir, es geht mir schon wieder besser.“
Der Ritter schaute Gwyn einen Moment zweifelnd an. „Also gut, mein Junge. Bist du bereit für deine erste Aufgabe als Knappe?“
Gwyn richtete sich in seinem Stuhl auf. „Ja, natürlich!“
„Heute Abend hat Artur die Tafelrunde zu einem Fest geladen und alle Ritter werden anwesend sein. Dass bedeutet, dass die Knappen Dienst haben. Deine Aufgabe wird es sein, mir das Essen zu servieren, Wein nachzuschenken und dich ansonsten im Hintergrund zu halten, bis ich dir ein Zeichen gebe.“
„Ja, Herr“, sagte Gwyn und stand auf.
Sir Urfin hob die Hand. „Warte! Nicht so eifrig! Dieses Fest ist ein wichtiges Ereignis, bei dem gewisse Regeln eingehalten werden müssen. Die Kleidervorschriften sind sehr genau. Ritter müssen nicht nur in ihrem besten Rock erscheinen, sondern auch ihr Schwert mit sich führen. Als dein Vorgänger Geoffrey vom Westturm stürzte, zerbrach auch die Klinge. Sie musste neu geschmiedet werden. Geh zu Griswold, dem Waffenmeister, und sag ihm, dass ich dich schicke, um Scorpio zu holen. Sollte er nicht mehr in der Schmiede sein, so suche ihn in der Waffenkammer.“
Die Schmiede am Fuß des Ostturms war in der Tat bereits verlassen, also musste er Griswold suchen. Dummerweise war niemand in der Nähe, den er nach dem Weg zur Waffenkammer fragen konnte, wahrscheinlich bereiteten sich alle auf das Fest vor.
Gwyn seufzte, viel Zeit blieb ihm nicht. Wenn er jetzt noch nach dem Waffenmeister suchen musste, lief er Gefahr, zu spät zum Fest zu kommen und Sir Urfin in eine peinliche Situation zu bringen. Hastig stieg er die Wendeltreppe hinauf und klopfte an jede verschlossene Tür, doch niemand gab ihm Antwort.
Gwyn war außer Atem. Seine Schulter begann wieder heftig zu schmerzen, doch das durfte ihn nicht aufhalten, denn unten im Hof wurden schon die Trommeln geschlagen, die den Beginn des Festes ankündigten.
Immer höher kletterte er hinauf, bis er am Ende der Treppe vor einer letzten Tür stand. Verdammt, hier oben war die Waffenkammer bestimmt nicht. Gwyn konnte sich nicht vorstellen, dass man all die schweren Lanzen, Schwerter und Schilde hier hinaufschleppte, nur um sie dann wieder hinunterzutragen.
Er wollte gerade wieder kehrtmachen, als er eine Stimme hörte.
„Komm herein, Gwydion. Ich habe dich schon erwartet.“
Gwyn drückte vorsichtig gegen die schwere Tür, die mit einem leisen Quietschen aufschwang. Der Raum, der sich dahinter verbarg, wurde von flackernden Kerzen in ein diffuses Zwielicht getaucht. Vorsichtig trat Gwyn ein.
„Schließ bitte die Tür hinter dir“, wurde er von der heiseren Stimme aufgefordert. „In letzter Zeit vertrage ich die Zugluft nicht mehr so gut.“
Dunkle Schatten tanzten an der Wand und Gwyn hatte im ersten Moment Schwierigkeiten, sich zurechtzufinden. Er sah sich um, konnte jedoch niemanden entdecken.
Das Gemach war das genaue Gegenteil von Sir Urfins geschmackvoll eingerichteten Räumen. Die Fenster waren von innen mit schweren Läden verschlossen, sodass es auch am Tag finster war. In den Regalen stapelten sich Pergamentrollen und Bücher neben unzähligen Flaschen, Töpfchen und Phiolen. In der Ecke sah Gwyn ein Himmelbett mit zugezogenen Vorhängen. Auf den zwei Tischen standen einige seltsame Steinfiguren neben Körben voll getrockneter Kräuter und Pilze.
„Pass auf, wo du hintrittst.
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