Gwydion 02 - Die Macht des Grals
beinahe ertrunken bin, nach Redruth gefolgt“, beeilte sich Gwyn zu sagen. „Dort ist er dann mit hohem Fieber zusammengebrochen.“
Rowan setzte sich auf einen Ballen Stroh und musste diese Nachricht erst einmal verdauen.
„Was hat der König dazu gesagt?“
„Wenn er geschockt war, so hat er es zumindest sehr gut verborgen. Vor einer Stunde trat die Tafelrunde zusammen und ich musste den versammelten Rittern alles berichten.“ Gwyn lachte trocken. „Lancelot war am Ende. Zunächst fantasierte er laut und nannte Muriel Evienne. Er jammerte, er habe den Gral gefunden, ihn aber wegen seiner Unachtsamkeit wieder verloren.“
„Er hat sie wie genannt?“, fragte Rowan überrascht.
„Evienne“, antwortete Gwyn verwirrt. „Wieso? Stimmt etwas mit dem Namen nicht?“
„Evienne ist der Name von Lancelots Mutter.“
„Und?“, fragte Gwyn ratlos, der nicht verstand, was Rowan meinte.
„Es gibt irgendein großes Geheimnis um sie. Es heißt, sie sei die Dame vom See. Die Frau, mit der du angeblich gesprochen haben willst!“
„Angeblich? Rowan, diese Frau existiert wirklich.“
„Die Dame vom See ist eine Legende“, sagte Rowan im Tonfall eines Vaters, der seinem Sohn die Welt erklärt.
„Nein, ist sie nicht. Merlin hat im Beisein der Tafelrunde zugegeben, dass er sie kennt.“
Nun war Rowan sprachlos. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, klappte ihn aber gleich darauf wieder zu. Schließlich schüttelte er den Kopf.
„Du warst anderthalb Wochen fort. Anderthalb Wochen, in denen wir die Reste der Schlacht beiseite geräumt haben und uns wieder den alltäglichen Dingen des Lebens widmen konnten. Ich will nicht sagen, dass wir uns in diesen Tagen gelangweilt haben, aber sie waren…“ Rowan suchte nach den richtigen Worten. „… von einer beruhigenden Gleichförmigkeit. Doch kaum bist du wieder da, überschlagen sich die Ereignisse geradezu. Fast könnte man meinen, du ziehst derlei Dinge an.“
Gwyn zwang sich zu einem schiefen Grinsen. „Wie es auch sein mag“, sagte er und half Rowan auf. „Heute werden wir uns nicht mehr weiter mit Lancelot, Artur und dem Gral beschäftigen. Ich denke, du willst nur noch eine warme Mahlzeit und ein bequemes Bett.“
Sir Kay kannte kein Mitleid mit den Knappen. Noch vor Sonnenaufgang riss er die Tür zum Schlafsaal auf, um sie lautstark zu wecken. Obwohl Gwyn von den körperlichen Strapazen verschont geblieben war, die seine Freunde in den letzten Tagen durchlitten hatten, war er ebenso müde wie sie. Er hatte die Ereignisse der letzten Tage in die hinterste Ecke seines Kopfes verdrängen wollen, doch er musste feststellen, dass sich Gedanken nur schwer einsperren ließen. Immer und immer wieder hatten sie sich um seine Mutter gedreht und im Halbschlaf mit den Bildern des ausgemergelten Lancelot vermischt, so als ob es irgendeine Verbindung zwischen ihnen geben würde. Erst tief in der Nacht war er endlich eingeschlafen.
Die Reste eines Traumes, an den er sich nicht mehr erinnerte, verklebten noch immer seinen Verstand wie staubige Spinnweben, als Sir Kay stumm an seiner Schulter rüttelte. Er rieb sich verwirrt die Augen und brauchte einige Momente, bis er endlich begriffen hatte, wo er sich befand. Den anderen Knappen erging es nicht besser. Sie richteten sich in ihren Betten auf wie Leichen, die nicht mehr wussten, wie sie in ihre Särge gekommen waren. Gwyn blinzelte ein paarmal, dann schwang er langsam seine Beine aus dem Bett.
Die Kälte biss ihm in Nase und Ohren, als sie gemeinsam in ihren schweren Kettenhemden ein ums andere Mal den Burghof umrundeten. Keuchend stießen sie beim Atmen Nebelfahnen aus, die vom kalten Morgenwind davongeweht wurden. Niemand sprach ein Wort. Gwyn richtete seinen Blick nach innen und versuchte, die Atmung in Einklang mit dem Rhythmus seiner Schritte zu bringen.
Das Badehaus war abgerissen, und so wuschen sie sich anschließend in den Trögen, die zum Tränken der Pferde bei den Ställen standen. Erst als er seinen Kopf in das eiskalte Wasser tauchte, wurden die letzten Reste der unwirklichen Stimmung fortgespült und er erwachte endlich wieder richtig zum Leben.
Beim Morgenmahl in Meister Arnolds Küche scherzten er und die anderen Knappen schon wieder.
„Mir tut dermaßen der Hintern weh, dass ich nie wieder vernünftig sitzen können werde“, stöhnte Cecil, der sich seinen Teller mit einem gewaltigen Schlag Haferbrei gefüllt hatte. Gwyn rutschte weiter auf der Bank durch, damit Tristans Knappe Platz
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