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Gwydion 04 - Merlins Vermächtnis

Titel: Gwydion 04 - Merlins Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schwindt
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Leben gerettet hatte.
    „Wer seid Ihr?“, fragte Gwyn.
    „Mein Name ist Roderick. Ich bin Priester von Londinium.“
    „Und wo sind wir hier?“, flüsterte Gwyn mit spröden Lippen.
    „Im Schoße des Herrn“, sagte der Mann. „Wir befinden uns in der Kirche des heiligen Paulus. Einem überaus geschichtsträchtigen Ort, wie ich nebenbei bemerken darf. Es ist die Kirche, in der alle großen Könige Britanniens gekrönt wurden.“
    Gwyn richtete sich blinzelnd auf und betastete die riesige Beule, die seine Stirn zierte. Ihm war schwindelig und es dauerte einen Moment, bis er die Welle der Übelkeit, die in ihm aufstieg, niedergerungen hatte.
    Roderick ging zu einer Feuerstelle, über der ein Topf mit kochender Hafergrütze hing. Er füllte einen Napf mit dem Brei und rührte ihn mit einem hölzernen Löffel um, damit er abkühlte. „Wie sieht es aus? Habt ihr Hunger?“
    „Das kann man wohl sagen!“, rief eine Stimme von der Tür her.
    „Lancelot!“ Gwyn fuhr erleichtert herum. „Gott sei gedankt.“
    „In der Tat, Gott verdanken wir viel. Oder vielmehr einem seiner Stellvertreter auf Erden.“ Lancelot stellte einige mit Wasser gefüllte Lederbeutel ab.
    „Ihr habt Bekanntschaft mit den Hunden Londiniums gemacht. Nichts kann sie schrecken, aber vor Feuer haben sie eine panische Angst. Glücklicherweise hat mein Brutus gespürt, dass etwas nicht stimmte und sofort Laut geschlagen“, sagte der Mann und tätschelte dem riesenhaften Tier den massigen Schädel. Brutus winselte erfreut und leckte seinem Herrn die Hand.
    „Ihr solltet auch etwas essen“, sagte Roderick, als er sah, dass Gwyn den Haferbrei als Einziger nicht anrührte.
    „Ich habe keinen Hunger“, stöhnte Gwyn und legte sich wieder hin, wobei er einen Arm über seine Augen legte.
    „Meint Ihr, ich habe Euch gerettet, damit Ihr jetzt in meiner Kirche liegt und jammert?“, polterte Roderick und hielt ihm die Schale hin. „Esst!“
    Gwyn, dessen Kehle noch immer wie zugeschnürt war, sah seine erschöpften Gefährten an, die noch immer unter Schock zu stehen schienen. Auch sie hatten ihr Essen kaum angerührt. Dazu trug vermutlich auch der Anblick des Hundes bei.
    Gwyn zögerte einen Moment, dann führte er einen gehäuften Löffel an den Mund.
    „Sehr gut“, sagte Roderick und atmete auf.
    „Lebt Ihr alleine in der Kirche?“, fragte Lancelot.
    „Oh ja“, sagte Roderick. „Ich glaube sogar, dass ich seit bald zehn Jahren Londiniums einziger Bewohner bin. Als die Sachsen kamen und die Stadt zerstörten, schien es, als wäre das Ende der Welt angebrochen. Diese Heiden verschonten niemanden. Mordend und brandschatzend zogen sie durch die Straßen. Binnen zweier Tage war die einstmals so prächtige Stadt ein einziges Trümmerfeld.“
    „Aber warum haben die Sachsen Londinium zerstört?“, fragte Gwyn. „Warum haben sie sich nicht zu den neuen Herren dieser Stadt gemacht?“
    „Weil die Sachsen alles hassen, was auch nur im Entferntesten römisch aussieht“, sagte Roderick.
    „Doch Eure Kirche haben sie dennoch stehen lassen“, sagte Lancelot.
    „Oh ja, ein zweifelhaftes Glück“, sagte Roderick bitter. „Jede Nacht liege ich wach und frage mich, warum ausgerechnet ich verschont worden bin und nicht all die unschuldigen Kinder, die sie an der Thamesis zusammengetrieben haben, um sie vor den Augen ihrer Eltern zu töten.“ Seine Augen glänzten feucht, als sie Gwyn anfunkelten. Gwyn wandte betreten den Blick ab und stellte seine Schale auf den Boden.
    „Habe ich Euch erlaubt, mit dem Essen aufzuhören?“, herrschte ihn Roderick an. Gwyn zuckte zusammen und aß langsam weiter, obwohl sein Appetit nicht größer wurde.
    „Nachdem die Sachsen abgezogen waren, machte ich mich daran, die Toten zu begraben“, fuhr Roderick leise fort. „Es war eine Arbeit, bei der man den Verstand verlieren konnte. Zum Schluss, als die Hunde kamen, musste ich es aufgeben. Ich kann nur hoffen, dass die armen Seelen auch ohne Sakramente gen Himmel gefahren sind. Wenn nicht, kann ich es auch nicht ändern. Ich habe mein Bestes getan.“
    Roderick nahm Gwyn die leere Schale aus der Hand und ging zur Feuerstelle, um sie erneut zu füllen.
    „Nachdem die Sachsen abgezogen waren, kehrten die wenigen Überlebenden zurück und versuchten die Stadt wieder aufzubauen. Aber es gelang ihnen nicht. Sie hatten keine Hoffnung und waren schwach, nicht nur in ihren Herzen, sondern auch körperlich. Seuchen brachen aus, die ungefähr die Hälfte der

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