Gwydion 04 - Merlins Vermächtnis
den er als Schleuder benutzte, und sammelte eine Handvoll Steine ein, die er in die Tasche seines Kittels steckte. „Tretet zurück, damit ich freie Bahn habe.“
„Das ist Wahnsinn!“, rief Rowan. „Du kannst dich nicht auf einen Kampf mit ihnen einlassen.“ Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, versperrten zwei der Hunde ihnen den Weg. Rowan drehte sich um. Auch das andere Ende der Straße war nun zu seinem Entsetzen blockiert. Es waren große Tiere, deren Augen vor Hunger und Mordlust leuchteten. Die Lefzen waren zurückgezogen und entblößten eine Reihe großer gelber Zähne, von denen der Speichel tropfte.
„Duckt euch!“ rief Gwyn und ließ seine Schleuder zweimal durch die Luft sausen. Rowan konnte im letzten Moment dem Stein ausweichen, der pfeifend durch die Luft flog. Da lag auch schon jaulend einer der Hunde am Boden. Ein anderer zuckte zusammen, doch anstatt das Weite zu suchen, steigerte sich sein dumpfes Knurren in ein tollwütiges Gurgeln. Ein weiterer Hund tauchte auf, um den Platz seines getroffenen Artgenossen einzunehmen.
„Es scheint nicht so, als ließen sie sich dadurch sonderlich beeindrucken“, rief Rowan.
„Warte es ab“, presste Gwyn zwischen den Zähnen hervor. Nun segelte ein zweiter Stein durch die Luft. Der Hund zog den Kopf ein, als hätte er das Geschoss kommen sehen und richtete sich dann zu seiner ganzen Größe auf.
Gwyn spürte, wie sein Mund schlagartig trocken wurde. Mit zitternden Fingern wollte er einen weiteren Stein auflegen, als ein lang gezogenes Heulen über ihnen ertönte.
„Das war ein Ablenkungsmanöver“, schrie Lancelot und zeigte auf die Häuser, die die Straße säumten. Gut zwei Dutzend der Bestien hatten sich in die oberen Stockwerke geschlichen und standen nun in den Fenstern, um sich aus der Höhe auf ihre Jagdbeute zu stürzen. Ein erneutes Heulen schwoll an, dann brach die Hölle los.
Mit einem lauten Aufschrei ließ Gwyn seine Schleuder fallen und zog sein Schwert. Keine Sekunde zu früh, denn in diesem Moment waren die Tiere über ihnen.
„Bildet einen Kreis, schnell!“, brüllte Lancelot.
Katlyn zückte ihr Gladius. Mit weit aufgerissenen Augen holte Muriel das lange Messer hervor und umklammerte es mit beiden Händen.
Zahnbewehrte Mäuler schnappten nach ihnen, machtvolle Kiefer schlugen mit einem seltsam hohlen Klacken aufeinander. Es war unmöglich, einen gezielten Schwertstreich auszuführen, dazu standen die Verteidiger zu dicht beieinander. Immer wieder stach Gwyn blindlings zu. Rowan stieß einen gellenden Schrei aus, als einer der Hunde sich in seinem Unterschenkel festgebissen hatte. Es war Muriel, die ihm mit zwei gezielten Schlägen Luft verschaffte, bis sie ihrerseits hinterrücks von einem Hund angegriffen wurde.
Auch Katlyn versuchte sich tapfer zu wehren, war aber im Umgang mit der kurzen Klinge alles andere als geschickt. Gwyn packte sie beim Kleid und riss sie hinter sich.
„Auf den Boden mit dir!“ schrie er. „Mach dich klein! Und verschränke deine Hände im Nacken!“ Immer wieder holte er aus, stach zu, schlug um sich, aber die Bestien schienen keinen Schmerz zu kennen. Ein paarmal drohte ihm die Waffe aus der Hand zu gleiten, da ihr Griff durch das vergossene Blut schlüpfrig geworden war. Noch konnten sie sich gegen den Ansturm wehren, aber es war nur eine Frage der Zeit, bis ihre Kräfte erlahmen würden.
Plötzlich sprang ein riesiger dunkler Schatten an ihm vorbei. Er fiel über die Meute der angreifenden Bestien her, die daraufhin rasend vor Wut bellten und zurückwichen. Gwyn hatte solch ein Tier noch nie gesehen. Es war ein Hund, so viel war sicher, obwohl er groß wie ein Kalb war. Seine Augen schienen in der Dunkelheit gelb zu leuchten. Gwyn wollte dem Tier ängstlich ausweichen, stolperte aber über Katlyn, die am Boden lag, und prallte mit dem Kopf gegen einen Mauerrest. Er sah noch, wie sich ihnen ein Mann mit einer Fackel näherte, dann schwanden ihm die Sinne.
Im Schoße des Herrn
Die Welt hatte Zähne und mit denen biss sie manchmal zu. Aus irgendeinem Grund fand er diese Weisheit so erheiternd, dass Gwyn leise lachen musste, was ihm ungeahnte Schmerzen bereitete.
„Scht, nicht lachen“, sagte sein Gegenüber mit ruhiger Stimme.
Alle Gefährten bis auf Lancelot saßen an einem steinernen Tisch, auf dem eingerahmt von zwei dicken Kerzen ein goldenes Kreuz stand. Sie blickten in das narbenübersäte Gesicht des Mannes, der ihnen vermutlich vor wenigen Minuten das
Weitere Kostenlose Bücher