Gwydion 04 - Merlins Vermächtnis
Westen des Landes!“
„Ich werde ihn ohne das Medaillon, das Wyclif gestohlen hat, nicht finden können“, erwiderte Gwyn.
Roderick trommelte nachdenklich mit den Fingern auf der Stuhllehne. „Wenn dieser Wyclif tatsächlich nach Londinium zurückgekehrt sein sollte, dann wird sich ihm dasselbe Bild wie Euch geboten haben. Vermutlich ist er schon längst weitergezogen.“
„Nein, das glauben wir nicht“, entgegnete Lancelot. „Der Osten der Insel wird von Sachsen beherrscht. Dort wäre sein Leben ebenso bedroht wie im Westen, denn auch Mordred sucht nach ihm. Wyclif ist auf der Flucht. Und er wird das erstbeste Versteck nehmen, das sich ihm bietet.“
„Nun, der einzige Ort, an dem er einen Unterschlupf finden könnte, wäre das Dorf, von dem ich Euch erzählt habe. Aber dann könnte er auch gleich durch die eigene Hand den Tod suchen. Es ist ein Ort, den sogar die Hunde meiden. Aber wenn Ihr wollt, kann ich Euch gerne dorthin führen. Das Dorf ist einen Tagesmarsch entfernt.“
Avalon
Gwyn schüttelte energisch den Kopf. „Kommt überhaupt nicht infrage!“, sagte er in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. „Ich werde alleine gehen.“
„Es ist zu gefährlich“, beschwor ihn Rowan.
„Eben deswegen“, erwiderte Gwyn und überprüfte den Proviantbeutel, den ihm Katlyn widerwillig gefüllt hatte. „Ihr seid durch mein Verschulden schon einmal beinahe ums Leben gekommen. Ein zweites Mal wird das nicht geschehen.“ Er warf einen kurzen schuldbewussten Blick in die Runde.
„Wir alle sind dir freiwillig gefolgt, red also keinen Unsinn“, entfuhr es Rowan. „Nimm wenigstens den Priester oder Lancelot mit.“ Er zeigte auf den Ritter, der mit verschränkten Armen an einer Säule lehnte.
„Diesen Disput haben wir bereits geführt“, sagte Gwyn. „Die Antwort lautet nein.“ Mit einem Ruck zog er den Sack zu und band ihn sich auf den Rücken.
Rowan richtete den Blick Hilfe suchend auf Katlyn, die ebenfalls verständnislos den Kopf schüttelte. Resigniert rollte er mit den Augen und warf die Arme in die Luft. „Gwydion Desert, du bist ein Narr!“
„Nein, ein König. Obwohl ich manchmal selber das eine nicht vom anderen zu unterscheiden vermag“, erwiderte er kühl. „Es bleibt dabei: Ich befehle euch hierzubleiben.“
Gwyn legte sein Schwert an, als er spürte, wie etwas gegen seine Hüfte stieß. Er zuckte zusammen. Brutus stand hechelnd neben ihm. Auch wenn dieses Tier zahm sein mochte, so hatte Gwyn noch immer einen gehörigen Respekt vor ihm.
„Nehmt meinen Hund mit“, sagte Roderick. „Er wird Euch nicht von der Seite weichen. Er ist ein treuer Gefährte.“
Gwyn schaute noch immer mit einem Gefühl der Beklemmung auf Brutus hinab. „Woher wollt Ihr das denn wissen?“
„Ich habe ihn dazu überreden können, es mir zu versprechen.“
Gwyn runzelte die Stirn. Manchmal war es für ihn schwierig, den seltsamen Humor des Priesters richtig einzuordnen.
„Gut“, sagte er und holte tief Luft, als wollte er sich selber Mut machen. „Wir sehen uns morgen wieder.“
„Und seht zu, dass Ihr vor Einbruch der Nacht zurück seid“, sagte Roderick. „Ansonsten werde ich eine Kerze für Euch anzünden.“
Gwyn schob den Riegel der Tür beiseite, die hinaus in den Garten führte, und stieß sie auf. Brutus saß noch immer wie festgenagelt an seinem Platz und machte keinerlei Anstalten, ihm zu folgen.
„Hunde sind entsetzlich dumme Tiere“, sagte Roderick. „Wenn man ihnen nicht sagt, was sie tun sollen, so tun sie gar nichts.“
Gwyn schnalzte mit der Zunge und schlug mit der flachen Hand auf seinen Oberschenkel. Daraufhin sprang Brutus auf und trottete gemächlich zu ihm.
„Ihr müsst ihn belohnen“, sagte Roderick. „Tätschelt ihm den Kopf.“
Gwyn zögerte.
„Nun macht schon!“
Vorsichtig kraulte er den Hund hinter dem Ohr, woraufhin Brutus ein Geräusch der Zufriedenheit von sich gab. Gwyn warf einen letzten Blick in die Runde und nickte noch einmal zum Abschied, dann schloss er die Tür hinter sich. Er hatte die niedrige Mauer noch nicht erreicht, die den Garten umgab, als eine Stimme nach ihm rief.
„Gwyn!“ Es war Muriel.
Einen Moment blieb er unentschlossen stehen. Dann bedeutete er Brutus mit einer Geste, sich nicht von der Stelle zu rühren, und ging vorsichtig auf Muriel zu. Zwei Schritte von ihr entfernt blieb er stehen. Sie schaute ihn mit ihren traurigen Augen an.
Gwyn sagte kein Wort.
„Pass auf dich auf“, flüsterte
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