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Gwydion 04 - Merlins Vermächtnis

Titel: Gwydion 04 - Merlins Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schwindt
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Erfolg. Wyclif lachte wie ein Wahnsinniger.
    „Es hat keinen Sinn, glaubt mir. Hier an diesem verdammten Ort gibt es nichts als grauen Staub“, sagte er. „Und dieses Medaillon: Ihr dürft es gerne haben. Wenn Ihr es von meinem Hals lösen könnt.“ Mit steifen Fingern öffnete er den Knoten seines Tuches. Sein Hals war eine einzige eitrige Wunde, in die sich die Kette des Anhängers tief gegraben hatte.
    Die Glocke schlug zum siebten Mal.
    „Seit dem Tag, an dem ich das Medaillon an mich gebracht habe, bin ich vom Unglück verfolgt. Ich habe alles verloren: meine Familie, meine Gesundheit, mein Leben. Londinium ist ein Ort, an dem nur noch die Hunde der Hölle leben können. Und dabei wollte ich mit dem kleinen Vermögen, das mir dieses Schmuckstück mit Sicherheit eingebracht hätte, eine Schenke eröffnen. Eine wie diese hier. Aber es gab keine Menschen mehr, also zog ich weiter und kam in dieses verfluchte Dorf. Ein schrecklicher Ort, an dem Tod und Wahnsinn regieren. Ich habe versucht ihn zu verlassen, aber mir fehlte die Kraft. Und so sitze ich hier und warte.“
    „Ihr wartet? Worauf?“
    Wyclif zuckte mit den Schultern. „Erlösung?“
    Gwyn schaute den Mann an und Mitleid ergriff ihn. Er streckte die Hand aus und nahm das Medaillon in die Hand. Da löste sich mit einem Mal die Kette.
    Wyclif blickte an sich herunter. „Wie habt Ihr das gemacht?“, fragte er staunend, als wäre er gerade Zeuge eines Wunders geworden.
    Die Glocke schlug zum achten Mal.
    Der Boden begann zu beben. Zunächst so zaghaft, dass es nicht mehr als ein Kitzeln in Gwyns Magen verursachte. Dann vibrierte der Becher, wanderte zur Tischkante und fiel zu Boden, wo er zersprang. Wyclif schien nicht zu merken, dass etwas geschah. Er war zu betäubt von dem Glück, dass der Anhänger nicht mehr wie ein Mühlstein an seinem Hals hing.
    „Danke“, rief er und schluchzte dabei wie ein kleines Kind, das endlich den Weg nach Hause wiedergefunden hatte. Dann verschmolz er mit der Dunkelheit.
    Die Glocke erklang zum neunten Mal.
    Gwyn rannte hinaus auf die Straße, in der rechten Hand das Schwert, in der linken das Medaillon. Irgendetwas geschah mit diesem Ort. Eine Spannung strebte ihrem Höhepunkt entgegen, wie ein Vulkan seinem Ausbruch. Dann sah er es: Weit hinten am Horizont stieg etwas hinauf in den Himmel. Vor Staunen erstarrt blieb Gwyn stehen und hörte nicht, wie die Glocke zum zehnten Mal läutete.
    Es waren die Häuser! Dieses Dorf begann sich aufzulösen! Völlig benommen tat Gwyn erst einen, dann zwei Schritte rückwärts. Schließlich rannte er los.
    Vor ihm erhob sich der von einem Apfelbaum gekrönte Hügel. So schnell er konnte, hastete Gwyn den verschlungenen Weg hinauf. Auf halber Strecke blieb er stehen.
    „Renn um dein Leben“, wisperte die Stimme. „Dreh dich nicht um.“
    Aber Gwyn drehte sich um.
    Von der erhöhten Position des kleinen Bergs hatte er einen weiten Blick über das Dorf, das keines mehr war. Zu seinen Füßen lag eine Stadt, wie Gwyn noch nie eine gesehen hatte. Sie war so riesig, dass sie von einem Ende des Horizonts zum anderen reichte, nur dass dieser Horizont sich auflöste und in Ascheflocken gen Himmel stieg. Der Anblick hatte fast etwas Spielerisches, da sich der Verfall in einer unnachahmlichen Leichtigkeit vollzog. Jenseits des Horizonts konnte Gwyn etwas erkennen, was wie eine feurige Spirale aussah, die vor einem tintenschwarzen Himmel träge ihre Kreise zog. Indessen beschleunigte sich die sonderbare Zerstörung und strebte in gewaltigen Aschewellen dem Hügel entgegen, auf dem Gwyn stand.
    Die Glocke schlug zum elften Mal.
    Jetzt erst verspürte Gwyn Angst. Es würde nicht mehr lange dauern und dann würde auch diese Anhöhe zu Staub zerfallen.
    „Merlin, sag mir, was ich tun soll!“, schrie Gwyn verzweifelt gegen das anschwellende Brausen an.
    Die Stimme antwortete ihm nicht. Stattdessen fraß sich der Aschenebel die grüne Anhöhe hinauf. Gwyn machte einen letzten Satz und umklammerte den Stamm des Apfelbaums.
    Plötzlich verstummte das Brausen und Stille trat ein. Gwyn schaute hinauf ins Blätterdach, durch das nun die Sterne wie Tausende winzige Sonnen schienen. Dann blickte er den Hügel hinab, mitten hinein in die lodernden Arme einer feurigen Spirale, die er nun in ihrer ganzen Pracht betrachten konnte. Seine Lungen drohten zu platzen. Gwyn schloss die Augen und presste die Lider fest zusammen. Schließlich öffnete er den Mund und rang verzweifelt nach Atem, als die Glocke

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