Gwydion 04 - Merlins Vermächtnis
der hier in Dinas Emrys herrscht. Am liebsten würde ich den Gral vergessen, um mit dir und meinen Freunden ein ganz normales Leben zu führen.“
„Aber so einfach ist es nicht.“
„Nein“, sagte Gwyn betrübt. „Auch wenn dieser Zauber Dinas Emrys beschützt, so sind die Gralsburg und ihre Bewohner dennoch ein Teil dieser Welt. Auf Dauer werden wir sie nicht aussperren können.“ Er schluckte. „Ich habe Angst. Angst, dass ich euren Erwartungen nicht gerecht werde. Angst vor den Entscheidungen, die ich gegen meinen Willen treffen muss und die vielleicht euer aller Leben kosten werden.“
„Gwyn, wir kennen die Gefahren“, sagte Katlyn eindringlich.
„Muriel…“, hob Gwyn verzweifelt an.
„Muriel hätte euren Hof in Redruth nicht alleine führen können“, schnitt Katlyn ihm das Wort ab. „Sie hat es ja selbst eingesehen. Und deine Schwester ist kein Mensch, der solche Entscheidungen leichtfertig trifft.“
„Und was ist mit dir?“, fragte er leise.
„Ich stehe an deiner Seite, weil ich mir ein Leben ohne dich nicht vorstellen kann“, sagte sie und errötete dabei auf eine solch zauberhafte Weise, dass Gwyn ganz verlegen wurde. Vorsichtig ergriff er ihre Hände. Er wollte sagen, dass er auch so fühlte und dass ihm der Gedanke, sie vielleicht eines Tages verlieren zu können, den Schlaf raubte. Doch er kam nicht dazu, denn in diesem Moment öffnete Daffydd die Türen zur großen Halle.
„Hoheit, es ist alles vorbereitet“, sagte der Hofmeister würdevoll. „Ich habe mir erlaubt, ein Mahl anrichten zu lassen. Ich dachte, nach der anstrengenden Reise seid Ihr vielleicht hungrig.“
Gwyn seufzte. „Habt Dank, Daffydd. Das ist sehr umsichtig. Habt Ihr Roderick Bescheid gesagt, dass er an der Versammlung teilnehmen soll?“
„Er ist bereits auf dem Weg.“
„Wunderbar. Wenn ich Euch ein Zeichen gebe, werdet Ihr Sir Urfin holen.“
Daffydd deutete eine Verbeugung an. „Sehr wohl, Hoheit.“
„Ich bin schon sehr gespannt, was uns der alte Angeber zu berichten hat“, sagte Gwyn zu Katlyn. „Aber zunächst sorgen wir beide für etwas Gesprächsstoff.“ Bevor Katlyn etwas erwidern konnte, gab er ihr einen langen gefühlvollen Kuss. Um sie herum verstummte augenblicklich das Gemurmel und er spürte, wie sich die Blicke der anderen förmlich in seinen Rücken bohrten.
„Gwyn, was tust du da?“, flüsterte sie atemlos.
„Etwas, was ich schon vor langer Zeit hätte tun sollen“, erwiderte er. Dann bot er ihr seinen Arm an, den sie zögernd ergriff.
Muriel, Roderick und die anwesenden Ritter bildeten schweigend eine Gasse. Cecil konnte sich ein feixendes Grinsen nicht verkneifen, wofür er von Rowan einen Hieb in die Seite bekam. Doch auch er strahlte über das ganze Gesicht. Verstohlen griff er dabei nach Muriels Hand, die seinen Druck erwiderte. Eine Welle der Erleichterung durchflutete Gwyn. Egal, was die nächsten Tage und Wochen bringen würden, hier und in diesem Augenblick wurde der Grundstein für eine hoffnungsvolle Zukunft gelegt.
Gemeinsam mit Katlyn nahm er Platz und die anderen folgten ihrem Beispiel. Musik erklang und ein fürstliches Mahl wurde aufgetragen. Immer wieder schauten die Ritter zu ihm und Katlyn herüber, steckten die Köpfe zusammen und tuschelten miteinander. Auch Lancelot, der in den letzten Tagen und Wochen das Lachen verlernt zu haben schien, strahlte jetzt über das ganze Gesicht, während er sich mit Rowan und Muriel eine halbe Gans teilte.
Als Degore seinen dritten Becher Wein geleert hatte, stand er schließlich auf, um mit erhitztem Gesicht Dinas Emrys und allen, die das Glück hatten, hier leben zu dürfen, Gottes Segen zu wünschen. Ein Ansinnen, dem sich Roderick, ohne zu zögern, anschloss. Auch er genoss es sichtlich, nach all den entbehrungsreichen Jahren wieder in Gesellschaft anderer Menschen zu sein.
Als nur noch abgenagte Knochen auf den Platten lagen und der letzte Krug leer getrunken worden war, trugen Dutzende hilfreiche Hände die Reste des Festmahls ab und auch die Musikanten zogen sich zurück. Nun war es an der Zeit, dass der Rat über die Reise nach Londinium unterrichtet wurde. Roderick gab einen anschaulichen Bericht darüber, was sich in den letzten Jahren dort zugetragen hatte. Als er geendet hatte, erzählte Gwyn, wie er wieder in den Besitz des Medaillons gelangt war und welche seltsamen Dinge sich bei ihrer Rückkehr zugetragen hatten.
„Dies sind wahrlich beunruhigende Zeiten, in denen wir leben“, sagte Tristan.
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