Gwydion 04 - Merlins Vermächtnis
durchgeschnittene Kehle anzudeuten, als er plötzlich mitsamt seinem Pferd stürzte.
Der Krieger zur Linken richtete sich überrascht in seinem Sattel auf und schaute sich hastig um. Doch bevor er sehen konnte, was seinen Kameraden zu Boden gerissen hatte, traf ihn nun selbst ein Pfeil im Rücken. Instinktiv griff er mit der Hand nach hinten, rutschte aber langsam zu Seite und fiel vom Pferd, wobei sich sein linker Fuß im Sattelzeug verfing. Ein Stück weit wurde er noch mitgeschleift, dann überschlug sich der Reiter einige Male, bis er schließlich reglos liegen blieb.
„Da!“ schrie Gwyn. „Sachsen!“
Es mochten an die zwanzig berittene Bogenschützen sein, die nun parallel zu Mordreds Männern dahinpreschten und diese Pfeil um Pfeil aus den Sätteln schossen. Als sie fertig waren, zügelten sie ihre Pferde und blieben stehen.
Gwyn glaubte seinen Augen nicht zu trauen. Auch Lancelot zügelte sein Pferd und beobachtete das Geschehen fassungslos.
„Was hat das zu bedeuten?“, keuchte Rowan. „Warum greifen uns die Kerle nicht an?“
In der Tat, die Sachsen machten sich nicht die Mühe, die Verfolgung aufzunehmen. Erst als sich ihr Abstand zu Gwyn und seinen Gefährten deutlich vergrößert hatte, setzten sich die Sachsen wieder in Bewegung.
Die folgenden Stunden drehte sich Gwyn in seinem Sattel immer wieder um. Schließlich blieb er stehen und auch die anderen zügelten die Pferde.
„Was tust du da?“, fragte Rowan.
„Die Sachsen bleiben auf Distanz“, sagte er verwundert und zeigte auf die Verfolger, die nun ebenfalls nicht mehr weiterritten.
„Sie spielen mit uns“, sagte Rowan. „Wie die Katze mit einer Maus, bevor sie sie verspeist.“
„Warum sollten sie das tun?“ fragte Lancelot. „Es liegt nicht in ihrer Natur, den Gegner auf diese Weise zu verhöhnen. Nein, ich glaube, wir haben eine Eskorte, die uns sicher durch ihr Gebiet bringen soll.“
„Erst retten die Sachsen unser Leben, dann geben sie uns Geleitschutz?“, rief Rowan. „Das kann ich nicht glauben! Ich kann keinen Sinn in diesem Handeln erkennen.“
Gwyn schaute Lancelot fragend an, um seine Meinung dazu zu hören.
„Bestimmt verfolgen sie ein Ziel mit diesem Verhalten. Doch werden wir ihre Beweggründe nur verstehen, wenn wir absteigen und sie fragen. Willst du das tun, Rowan?“
„Ganz bestimmt nicht!“, erwiderte Rowan entschieden.
„Also werden wir weiterreiten und der Dinge harren, die da kommen“, sagte Roderick. „Hattet Ihr nicht erzählt, dass Mordred sich mit den Sachsen gegen Artur verbündet hatte, um sie dann im entscheidenden Moment im Stich zu lassen? Vielleicht sind diese Barbaren einfach nur nachtragend.“
„Dass ausgerechnet diese Barbaren uns jetzt nützlich sein sollen, weil Mordred sie verraten hat, wäre fast zu schön, um wahr zu sein“, sagte Gwyn, denn er ahnte, dass die Sachsen ihre eigenen düsteren Pläne verfolgten.
Es sollte sich erweisen, dass die Bogenschützen bis zur walisischen Grenze nicht mehr von ihrer Seite wichen. Auch des Nachts schlugen die Sachsen ihr Lager in Sichtweite auf und entzündeten dabei stets ein Feuer, das meilenweit zu sehen war.
So sah schließlich auch Gwyn keinen Grund mehr, auf die Annehmlichkeit eines Lagerfeuers zu verzichten. Zwar richteten sie noch immer Nachtwachen ein, doch schienen sie nicht notwendig zu sein. Erst als sie nach drei Tagen mit dem Severn auch die Grenze nach Wales überschritten, machte die sächsische Eskorte kehrt.
„Das ist die seltsamste Reise, die ich jemals unternommen habe“, gab Lancelot zu, als er den Sachsen nachschaute, die die Furt nicht überquert hatten.
„Nun, zum ersten Male bin ich den Sachsen zu Dank verpflichtet. Sie haben unser aller Leben gerettet“, rief Gwyn.
Rowan schüttelte energisch den Kopf. „Wenn du neuerdings diese Kerle zu deinen Freunden zählst, will ich nicht wissen, wer deine Feinde sind.“
Gwyn gab auf diese Bemerkung keine Antwort. Stattdessen reichte er Roderick ein Tuch.
„Was soll ich damit tun?“, fragte er verwirrt.
„Verbindet Euch die Augen“, sagte Gwyn. „Wir kehren heim.“
Rückkehr nach Dinas Emrys
Sie ritten einen Tag und eine Nacht hindurch. Es war das anstrengendste Stück der Reise, denn sie konnten sich keine Rast erlauben, ohne dabei Gefahr zu laufen, vom rechten Weg abzukommen. Erst als sie im Morgengrauen vollkommen erschöpft vom langen Ritt den Gesang der Lerchen hörten, erlaubte Gwyn sich und den anderen, die Binden von
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