Gymnasium - Ein Ratgeber fuer Eltern
höflicher und respektvoller Umgangston den Schülern gegenüber. Völlig vergriffen hat sich da jener Lehrer, der beim Betreten des Klassenzimmers auf zwei Schüler und eine auf ihrer Bank stehende Wasserflasche zeigte und bemerkte: »Jetzt seid ihr ja schon drei Flaschen!« Genauso unpassend verhielt sich der Lateinlehrer an einem humanistischen Gymnasium, der die Eltern am ersten Elternabend unverblümt fragte: »Sind Sie sicher, dass Ihr Kind hier auf der richtigen Schule ist?«
Das ist eine zynische Bemerkung, gleichzeitig aber auch eine regelrechte Steilvorlage, die man – wenn man so richtig couragiert wäre – eigentlich so beantworten müsste: »Ich glaube schon, dass mein Kind hier richtig ist. Aber ich frage mich, ob das auch für Sie gilt!« Doch Vorsicht: Außer dem rasend prickelnden Gefühl, wahrscheinlich einen kurzzeitig sprachlosen Lehrer vor sich zu haben, ist damit rein gar nichts gewonnen.
Bei Konflikten auf Konfrontationskurs zu gehen, hat noch nie funktioniert.
Viel eher erreichen Sie Ihre Ziele, wenn Sie Ihr Gegenüber loben oder an der Ehre packen. Und was gegenüber dem Partner hilft (»Schön, dass du neuerdings die Zahnpastatube zuschraubst!«), das wird auch bei anderen die erwünschte Wirkung zeigen. Verblüffen kann man also den oben erwähnten Lateinlehrer vielleicht damit, dass man antwortet: »Ich bin mir noch nicht sicher. Aber ich glaube, dass Sie als erfahrener Pädagoge mein Kind entsprechend fördern werden. Und dann ist es hier wirklich auf der richtigen Schule.« Nehmen Sie also den Ball auf und spielen Sie ihn im positiven Sinne zurück. Auf diese Weise appellieren Sie an das Berufsverständnis des Lehrers und bringen ihn in den meisten Fällen dazu, dass er von seiner negativen Haltung abrückt. Ein echtes Erfolgsrezept!
Auch Lehrer freuen sich übrigens darüber, wenn jemand »danke« zu ihnen sagt, zum Beispiel nach einer anstrengenden Klassenfahrt. »Ich bin fast in Ohnmacht gefallen«, erzählt ein Klassenlehrer, »als sich eine Mutter beim Elternabend tatsächlich bedankt hat für die drei Tage Schullandheim im Kleinen Walsertal. Normalerweise melden sich Eltern immer nur, wenn was schiefläuft.«
Natürlich sind jene Zeiten vorbei, in denen man beispielsweise auf dem Land dem Herrn Lehrer einen Korb mit frischen Schlachtwürsten mitbrachte. Schon um sich nicht dem Verdacht, bestechlich zu sein, auszusetzen, würde ihn kein Lehrer mehr annehmen. Ein ehrlich gemeintes Dankeschön reicht heute völlig aus.
Übrigens:
Mehr geht natürlich immer, wie das Beispiel dieser Mutter zeigt: »Irgendwie muss man sich ja wohl in der Schule einbringen, um überhaupt ernst genommen zu werden mit seinen Anliegen. Nachdem der Schulleiter bei wirklich jedem Elternabend auf den Arbeitskreis »Schule und Medien« hingewiesen hat, hab ich mich schließlich dafür angemeldet. Damit er wenigstens sieht, dass Eltern sich engagieren.«
Wenn es Sie beruhigt und Ihnen auch noch Freude macht, in Arbeitskreisen tätig zu sein, dann tun Sie das. Sie lernen dort andere Eltern kennen und erfahren vielleicht etwas mehr über das System Schule. Glauben Sie aber nicht, dass Ihr Kind bevorzugt behandelt wird, nur weil Sie in einem Arbeitskreis der Schule mitmachen. Auch wenn Ihre Aktivität auf einem (Neben-)Schauplatz noch so groß ist, sie wird die schulische Laufbahn Ihres Kindes nicht entscheidend verbessern. Hier wäre – falls das Kind Schwächen in einem Fach hat – die Zeit effizienter genutzt, wenn Sie beispielsweise Vokabeln abhören oder mit ihm Diktat üben würden.
Und natürlich ehrt es Sie, wenn Sie sich für ein Wohlfühlklassenzimmer Ihres Kindes engagieren und deshalb bei der Renovierung eifrig mithelfen. Aber fühlen Sie sich nicht dazu verpflichtet: Häusliche Erziehung ist bereits Aufgabe genug!
Das Wichtigste in Kürze
Der Elternabend
ist eine notwendige und auch sinnvolle Einrichtung, um Präsenz zu zeigen – und damit Ihr Interesse an der Schule und dem Wohl Ihres Kindes;
dient dazu, Informationen allgemeiner Art zu bekommen, beispielsweise Termine, Klassenveranstaltungen etc.;
bietet die Möglichkeit, Themen anzusprechen, die von allgemeinem Interesse sind;
gibt Ihnen die Gelegenheit, sich von den Lehrern ein erstes Bild zu verschaffen;
ersetzt keinesfalls die Elternsprechstunde (Näheres im entsprechenden Kapitel) oder den direkten Kontakt zum Lehrer.
■ Der tägliche Horror?
Wenn Vater, Mutter, Kind – bewaffnet mit Geodreieck,
Weitere Kostenlose Bücher