Hab ich selbst gemacht
mal Ernst machen.
DWD .de, die Seite des Deutschen Wetterdienstes, füge ich zu meinen Lesezeichen hinzu – obwohl ich in diesem Moment noch nicht weiß, dass ich sie im Laufe der kommenden Woche fast stündlich aufrufen werde, um nachzusehen,ob vielleicht doch noch Sonne vorhergesagt wird – und lasse mich ein kleines bisschen dadurch beruhigen, dass dort die Temperaturangabe »zwischen 0 und 7 Grad« für die nächsten Nächte präzisiert wird: »Wendelstein 0 Grad, leichter Schneefall«, aber »München 7 Grad, leichter Regen«. Doch auch andernorts, im Rheinland zum Beispiel, stehen noch mal 0 Grad und weniger auf der Wetterkarte. Die Eisheiligen lassen sich in diesem Jahr also nicht lumpen, in den Gebirgen wird es sogar noch mal Nachtfrost geben.
Egal, ob null oder sieben Grad: Ich stelle mir meine Kürbispflanze da unten vor wie einen kleinen frierenden Hundewelpen, der zitternd in Regen und Wind auf bessere Zeiten wartet und darauf, dass ihm jemand hilft. Soll ich den Kürbis doch in die Wohnung holen, ihm einen Platz an der Heizung anbieten und tausendmal um Verzeihung bitten?
»Sind 7 Grad wirklich warm genug für die Kürbispflanze?«, frage ich den Mann.
»Weißt du was, du nervst«, sagt er. »Ruf meine Mutter an, ruf deine Mutter an, die wissen das bestimmt. Aber bitte keine Wetterfragen mehr, ich weiß es nämlich nicht.«
Meine Mutter hat langjährige Datschen-Erfahrung, und das im unwirtlichen Randberlin. Also schicke ich ihr eine SMS , ab wann ich mir Sorgen machen muss. Sie schreibt zurück: »In der Stadt keine Sorgen, Häuser heizen & unter Folie gar kein Problem.« Wenn sie recht hat, wäre das ein wirklich ernst zu nehmender Vorteil am urbanen Gärtnern: So richtig kalt wird es in der Stadt nicht. Also außer im Winter. Aber es stimmt: Mein Garten ist vier Meter vom Erdboden entfernt und an drei Seiten von Häusern umgeben, in denen bei dem Mistwetter vermutlich noch fleißig die Heizungen aufgedreht werden. Und wenn ich mir so unser Haus anschaue und wie schlecht es isoliert ist, dürften da schon ein, zwei Grad aus den Wohnzimmern in den Hinterhof abstrahlen.
Die andere Mutter, die des Mannes, rufe ich vorsichtshalber auch noch an, sie kennt sich immerhin mit den klimatischen Bedingungen in Oberbayern aus. Sie rät mir sogar, die Folien abzunehmen, »da staut sich nur die Nässe drunter. Trau deinen Samen mal was zu, die müssen abhärten«.
»Und wenn nun doch noch mal Frost kommt? Die Eisheiligen waren ja noch gar nicht.«
»Hör Radio, das mach ich auch, und solange die nicht sagen, es bestehe Frostgefahr, musst du dir überhaupt nichts denken. Und wenn sie es sagen, kaufst du im Gartenmarkt Vlies und deckst die Pflanzen ab. Aber glaub mir, du wirst es nicht brauchen.«
»Na gut.« Kleinlaut verabschiede ich mich und lege auf. Ich vermute, ich bin in kürzester Zeit nicht nur zu einer ängstlichen Gärtnerin geworden – all mein Enthusiasmus hat sich in Sorgen verwandelt –, sondern ich habe mich gleichzeitig auch zu einer nervtötenden Zeitgenossin entwickelt. Das muss anders werden. Ich muss mich entspannen, unbedingt. Und ich muss meinen Pflanzen auch noch ihre Regenmäntel wegnehmen.
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Tag 128
Faulheit siegt
Hinter mir liegt die bisher anstrengendste Woche des Jahres. Und noch 34 Wochen vor mir. Ich bin so schlapp, dass ich gar nicht aufstehen mag. Seit einer guten halben Stunde drehe ich mich im Bett wieder und wieder um.
Was habe ich mich gesorgt: Nicht mehr über die Temperaturen, aber weiterhin wegen des Dauerregens. Da konnten Mutter und Schwiegermutter noch so beruhigend daherreden, ich stand trotzdem jeden Morgen und jeden Abend sorgenvoll am Fenster und schaute in den Himmel. Zwei Mal war ich auch bei den Samen im Garagengarten, und habe sie gebeten, trotz aller Widrigkeiten fleißig zu keimen.
Ich bin fassungslos, dass mir das Wetter so viel ausmachen kann. Früher war mir das Wetter immer ziemlich egal. Klar, es hat genervt, nass zu werden, wenn ich unterwegs war. Aber ich habe mir nie Sorgen gemacht. Worüber denn auch? Dass meine Frisur zerstört werden könnte? Ich habe nicht einmal eine Frisur. Aber diese Woche hatte ich dauernd Regensorgen.
Der Mann kommt ins Schlafzimmer und sagt: »Wir haben kein Brot mehr.« Ich stehe auf, es hilft ja nichts. Dass ich allerdings wegen meiner Gartensorgen vergessen habe, am Vorabend noch ein Brot zu backen, bessert meine Laune auch nicht. Jetzt eines backen? Dauert zu lange. Und außerdem habe ich keine Lust.
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