Hab ich selbst gemacht
Ich schlurfe in T-Shirt und meiner Schlafanzughose in die Küche und stelle eine Packung Cornflakes auf den Frühstückstisch. Der Mann hat freundlicherweise schon Kaffee und Tee gekocht und stellt nun zwei Müslischalen dazu.
»Ich glaube, ich kapituliere. Ich mag kein Brot mehr backen«, sage ich und schütte Milch über meine Cornflakes. »Es ist langweilig. Meistens sehen sie auch noch blöd aus. Und schmecken so mittel.«
»Wie du meinst. Ich kann losgehen und ein Pfisterbrot kaufen«, sagt der Mann etwas zu erfreut und deprimiert mich damit noch ein bisschen mehr. Über vier Monate lang habe ich alle paar Tage Brot gebacken, und jetzt sind wir beide erleichtert, wenn das ein Ende hat?
Was soll’s, Schluss mit selbst gebackenem Brot. »Gut, kauf eins«, sage ich zum Mann, der freudestrahlend aufspringt und zum Bäcker geht. Ich schaufle schweigend den Rest meines Frühstücks in mich hinein.
Später mache ich einen Ausflug in die Innenstadt. Seit Wochen steht auf der Küchentafel »Ärmelbrett« und »passender Vierkantschlüssel«, für meinen Hosennähplan und für den Wasseranschluss im Hinterhof. Zuerst fahre ich in den Schneiderbedarf im ORAG – Haus am Münchner Jakobsplatz. Der Ausflug dorthin macht mir gute Laune, es ist wie eine Zeitreise, hier einkaufen zu gehen: hohe, schwere Holzregale an den Wänden, mit Stoffen, Reißverschlüssen und Knöpfen gefüllt. Das Geschäft unten im Haus der »Oberbayerischen Rohstoff- und Arbeitsgemeinschaft« der Südbayerischen Schneider-Genossenschaft gibt es schon seit über 100 Jahren, nebenan sind ein Trachten- und ein Stickereigeschäft.
Ich frage eine der Verkäuferinnen nach einem Ärmelbrett aus Holz, so eines, wie ich es von meiner Mutter kenne. Die Verkäuferin zieht einen Ordner aus dem Regal, holt ein kleines Heft hervor, schlägt Seite 14 auf und legt es mir hin. In Schwarz-Weiß sind dort Ärmelbretter abgebildet, das Heftchen sieht eher aus wie ein Erinnerungsstück vom Dachboden als ein Katalog eines tatsächlich noch existierenden Unternehmens.
Ich schaue mir die verschiedenen Modelle an.
»Das hier fände ich gut. Wie viel kostet es?«, frage ich.
Sie holt einen weiteren Ordner, blättert Seiten mit endlosen Preislisten um, dann scheint sie die richtige gefunden zu haben und fährt mit dem Finger eine lange Zahlenreihe hinunter, schaut noch mal in den Katalog mit den Ärmelbrettern, vergleicht die Artikelnummern und sagt:
»Dieses Modell kostet 92 Euro. Das etwas kleinere daneben 85 Euro.«
»Oh. Ja, also. Danke.«
Ich verabschiede mich und stehe einen Moment später wieder auf der Straße. 85 Euro!
Ich schüttle immer noch fassungslos den Kopf, als ich 200Meter weiter ein Haushaltswarengeschäft betrete. Ich frage mich durch die Abteilungen auf der Suche nach einem Vierkantschlüssel. Am Ende lande ich beim Schlüsseldienst – eigentlich klar, heißt ja auch Vierkant schlüssel, aber mehrere Mitarbeiter hatten mich erst mal Richtung Sanitär und Bad und dann in die Werkzeugabteilung geschickt. Nun stehe ich vor einem Mann im Karohemd, dessen Ärmel in Anpackermanier hochgekrempelt sind. Er öffnet einen Schrank – und dahinter ist das Vierkantschlüssel-Mekka. Alle sind sie dort versammelt, an langen Haken nach Größen sortiert aufgereiht. Ich mache große Augen.
»Welche Größe brauchen Sie?«, fragt der Karohemdenmann.
»Sieben Zoll, bitte.«
Er streckt seine Hand aus und lässt sie in der Luft schweben, direkt vor dem einzigen Haken, an dem keine Schlüssel hängen.
»Sind aus.«
Ich könnte auf der Stelle vier 8-Zoll- oder zwanzig 6-Zoll-Schlüssel kaufen, alle hängen sie direkt vor meiner Nase. Nur die siebener sind ausverkauft.
»Wann haben Sie die denn wieder?«, frage ich.
»So in drei Wochen sollten welche kommen, denke ich.«
»Danke«, sage ich, denke aber: Drei Wochen!
Wieder verlasse ich kopfschüttelnd ein Geschäft. Allerdings hat es angesichts der Wetterprognose für die nächsten Wochen wohl auch keine Eile mit dem Schlüssel. Vorerst brauche ich den Gartenschlauch ganz sicher nicht.
Dieser Tag ist bisher ein einziger Reinfall. Ich hätte im Bett bleiben sollen und weiter darüber katastrophieren, was das Wetter alles mit meinem armen Garten anrichten könnte.
Ich muss heute noch irgendetwas tun, das diesem Tag einen Sinn gibt. Ich beschließe, dem Brotbacken eine letzteChance zu geben. Vielleicht hat das Internet ja noch einen Rat für mich, wie ich zur erfolgreichen Brotbäckerin werde.
Als ich nach
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