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Hab ich selbst gemacht

Hab ich selbst gemacht

Titel: Hab ich selbst gemacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Klingner
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Suppenpürieren, aus Walnüssen Salsa di Noci machen oder Bananenmilchshakes herstellen. Und jetzt auch noch Eiscreme! Also muss heute ein neuer Pürierstab her, einer mit viel PS , für den gefrorene Erdbeeren ein Klacks sind.
    Deswegen laufe ich durch die großen Etagen der Kaufhäuser, und während mein Blick über all die glänzenden, schönen, angepriesenen, stapelweise ausgelegten Waren streift, frage ich mich: Wer braucht das alles?
    Schon klar, ich brauche ja gerade in diesem Moment auch einen Pürierstab. Aber hier steht überall einfach … so … unglaublich … viel. Ich fürchte, ich habe den Draht zur Konsumgesellschaft verloren. Einerseits war ein bisschen Abstand ja einer der Gründe für mein Experiment. Andererseits fühle ich mich in diesem Moment auch irgendwie ausgeschlossen – so als sei ich nur zu Besuch im ganz normalen Alltag der anderen Menschen. Ich habe das Gefühl: Konsumieren hält alles zusammen. Es ist das, was alle Menschen tun. Sie gehen arbeiten, um Geld zu verdienen, um Dinge zu kaufen. Konsum ist Teil unseres gesellschaftlichen Kreislaufs. Ist Konsumverweigerung dann nicht zwangsläufig gesellschaftlicher Selbstmord?
    Könnte mein Experiment mein Leben radikaler verändern, als ich es mir vorher vorgestellt habe? Könnte ich mich am Ende dieser zwölf Monate ins gesellschaftliche Abseits katapultiert haben?
    Aber in eben jenem Abseits lerne ich auch so viele Sachen, die ich sonst nie erfahren hätte. Und zwar nicht nur, wie man Seife macht oder Krapfen backt. Vielmehr verändert sich mein Blick auf die Dinge, die ich normalerweise kaufen würde und nun selber mache. Und bei fast allem denke ich mir: ›Das wird viel zu billig verkauft.‹
    Das Selbermachen hat mir jeglichen Geiz genommen. Klar, vieles von dem Schrott, der produziert wird, ist noch nicht mal das wenige Geld wert, das die Läden dafür haben wollen. Abereine gute Hose zum Beispiel sollte auch gutes Geld kosten dürfen, wenn sie unter guten Bedingungen hergestellt wurde.
    Während ich so vor mich hinsinniere, bin ich von Kaufhaus Nummer zwei zum Haushaltswarengeschäft geschlendert und schaue mich in der Ecke mit den Pürierstäben um. Sehr angenehm: Das Angebot ist hier etwas übersichtlicher. In den Kaufhäusern gab es zwanzig, dreißig verschiedene Modelle, in allen Farben, für 15 Euro genauso wie für 120. Hier im Haushaltswarengeschäft gibt es die ganz billigen Geräte gar nicht, und die, die hier stehen, sehen alle recht robust aus. Ein Pürierstab hat es mir besonders angetan: Er ist groß, etwas schwerer als mein alter, der Korpus ist massiv, der Pürieraufsatz selbst aus Edelstahl. Er sieht eher aus, als könnte man damit die Schrauben eines Jumbojets festziehen, und würde in der Abteilung für schweres Werkzeug nicht weiter auffallen. Für den dürften die Erdbeeren ein Klacks sein.
    Nur der Preis … Ich schlucke, aber ich will meinen neuen Vorsatz beherzigen und lieber etwas kaufen, das lange hält, als irgendwelchen Elektroschrott, den ich alle paar Jahre ersetzen muss, wodurch ich dann insgesamt genauso viel Geld ausgebe.
    Ich rufe den Mann an, er solle sich das Teil mal kurz im Internet anschauen. Ich höre ihn tippen und klicken, und dann sagt er: »Ja, geil. Kaufen.«
    Am Abend nach dem Essen gebe ich gefrorene Erdbeeren und etwas Milch in einen Topf, packe den Pürierstab und frage den Mann: »Willst du, oder soll ich?«
    »Och, mach du mal. Irgendwie macht der mir Angst«, sagt er. Ich dachte, der Mann würde sich gleich auf den Pürierstab stürzen, eben weil er so ein cooles Spielzeug ist, das nach ordentlich Wumms aussieht. Aber ich bin ja auch die mit der Bohrmaschine. Für Wumms bin also ich zuständig.
    Ich halte den Pürierstab in den Becher, drücke den Powerknopf und regle langsam Stufe für Stufe hoch. Nach zwanzig Sekunden steht ein Becher geschmeidig zerquetschtes Eis vor mir. Gute Anschaffung.
    Wir setzen uns an den Balkon, endlich kühlt der Tag etwas ab, die letzten Sonnenstrahlen scheinen zu uns herein, und ich denke an die Zucchini und Kürbisse unten im Garten. Mein Garten macht mich momentan wehmütig: Mein Milchsprüheinsatz bringt nichts, der Mehltau breitet sich weiter aus. Und mittlerweile sind alle Früchte, die sich je an den Pflanzen gezeigt haben, weggegammelt. Sie haben vor der Hitze einfach kapituliert. Dabei hatte ich bei jeder neuen Mini-Zucchini und jedem murmelgroßen Kürbisspross innerlich gejubelt und sie angefeuert: Sie sollen schön wachsen und sich nicht

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