Hab ich selbst gemacht
Winkelnhebelt sich das Brett schneller aus, weil die Last nur auf ein paar Punkten liegt.« Ich schaue nachdenklich auf die Wand, an der ich die Bretter anbringen will.
»Winkel sind aber vertrauenserweckender«, sagt der Mann.
Jetzt schaue ich ihn an und frage: »Wollen wir mal zusammen durch die Wohnung gehen und nachzählen, wie viele Winkel oder Bretter du in dieser Wohnung angebracht hast?«
Der Mann muss lachen. »Okay, dann nimm eben Leisten.«
»Hast du trotzdem Lust, in den Baumarkt zu fahren?«, frage ich.
Wir setzen uns ins Auto und legen das Brett in den Kofferraum. Im Baumarkt suche ich eine drei mal vier Zentimeter starke Leiste aus einem überwältigend vielfältigen Leistenangebot heraus und nehme sie, den Mann und das Brett mit zum Zuschnitt. Dort erkläre ich dem Baumarkt-Mitarbeiter, sechs 28 Zentimeter lange Leistenstücke und ein gedritteltes Brett haben zu wollen. In wenigen Handgriffen an seiner Riesenmaschine hat er alles zerstückelt, und wir sitzen wieder im Auto, mit den Einzelteilen unseres zukünftigen Regals.
Zu Hause trinke ich erst mal einen halben Liter Wasser auf ex und versuche, wenigstens um ein paar Grad abzukühlen. Draußen sind über dreißig Grad Celsius, und mit Brettern bepackt vom Parkplatz nach Hause zu laufen, war nicht das, was man unter diesen Umständen tun sollte.
Ich beschließe, dass wir uns erst einmal eine Pause verdient haben, püriere uns zwei große Portionen Erdbeereis zurecht und setze mich an den Balkon. Was für eine beknackte Idee, an so einem schönen Tag ein Regal bauen zu wollen. Von Löffel zu Löffel festigt sich der Gedanke, heute vielleicht doch lieber zum See zu fahren.
Als ich dann aber den letzten Löffel Eis aus der Schüssel gekratzt habe, sage ich laut »So!«, erschrecke den dösenden Mann und überliste mich selbst mit meiner vorgetäuschtenTatkraft. Ich weiß nämlich ganz genau, wie das ist: dass eigentlich nichts dagegen spricht, jetzt mit dem Bauen anzufangen, sondern dass ich wie immer, wenn ich etwas machen will und soll, das ich vorher noch nicht oder lange nicht mehr gemacht habe, einfach eine komische Scheu vor dem ersten Schritt habe. Dabei weiß ich, etwas tiefer in mir drin, dass ich einfach Schiss habe vor dem ersten Handschlag. Und wenn ich den dann doch einmal getan habe, bin ich immer wieder überrascht, wie viel Spaß das Basteln und Bauen macht – dass ich nur eben einfach anfangen muss.
Also messe ich den Abstand der Leisten an den Wänden ab, markiere die Punkte für die Dübel, hole mir die Bohrmaschine, drücke dem Mann den Staubsauger in die Hand, um den Bohrstaub gleich aufzusaugen, bohre in wenigen Minuten die zwölf angezeichneten Löcher in die Wand, stöpsle Dübel hinein, bohre feine Löcher in die Leisten vor, treibe dort die Schrauben durch, rein in die Dübel in der Wand und rüttle zum Schluss ein bisschen an den Leisten, die aber bombenfest an der Wand hängen.
Ich markiere an den Rändern der Regalböden die Stellen, durch die gleich die schmalen Schrauben zur Verbindung von Brett und Leiste durchmüssen, bohre sie schmal vor, lege die Bretter auf die Leisten und drehe dann – ssst, ssst, ssst, ssst – die Schrauben durch die Bretter in die Leisten. Mit dem Akkuschrauber ist das eine Sache von Minuten. Ich hole nacheinander die Nudelmaschine, den Prilblumentopf und die Schüssel für den Brotteig und stelle alles jeweils auf ein Brett. Fertig. Und dann kommt das Beste: dieses Gefühl, das sich in mir breitmacht. Eine Mischung aus Stolz, dass dieses Regal hängt, und einem Siehste-es-geht-doch-Gefühl dem inneren Schweinehund gegenüber. Ich setze mich zufrieden wieder an den Balkon, drehe meinen Stuhl aber Richtung Kühlschrank und Regal und bewundere meine Arbeit.
»Schickes Regal«, sagt der Mann. »Mal sehen, ob die Leisten halten oder ob Winkel besser gewesen wären.«
Ich knuffe ihn in die Seite. Frechheit.
»Was hältst du davon, wenn ich uns frische Pasta koche? So zur Belohnung?«, fragt er.
Sehr viel natürlich. Und noch mehr halte ich von seinem Abendwerk, als ich von ihm eine Nudel aus dem Nudelwasser gefischt bekomme, zum Kosten. Der Mann hat sie diesmal nur bis auf Stufe vier ausgewalzt und sie dann auch nicht durch die Spaghettiwalze gedreht, sondern mit dem Messer in breite Streifen geschnitten. Sie schmecken großartig. Ich sage ihm: »Frechheit, dass du der bessere Nudelselbermacher bist!«
Ich zupfe am Balkon eine letzte Handvoll Salbei. Die Fressattacke der Raupen hat
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