Hab ich selbst gemacht
oben auf dem Hosenschlitz einen kleinen Wackler in der Linienführung hat, würde ich sagen – das kann sich sehen lassen. Ein solider Reißverschluss.
Trotz dieses Zwischenerfolges kann ich mich nicht motivieren, heute auch noch den Bund zu nähen. Der muss auf einen nächsten Nähtag warten. Und wenn ich an die schwüle Hitze draußen vor den Fenstern denke, dann passt diese Hose sowieso nicht dazu, dann hätte ich mir heute lieber ein kurzes Flatterröckchen oder einen Bikini nähen sollen.
Stattdessen rufe ich dem Mann zu, der es sich bei weit geöffnetem Fenster auf dem Bett bequem gemacht hat und den Spätnachmittag vertrödelt: »Hast du Lust auf einen Holundersekt?«
»Und wie!«, brüllt er quer durch die Wohnung zurück.
Ich hole den Holunderblütensirup aus dem Kühlschrank und eine Flasche Prosecco. Ich öffne den Schnappverschlussder Holundersirupflasche und erschrecke: Sie ploppt mit einem lauten Knall auf, und sofort beginnt der Sirup zu schäumen, erst kurz vor dem Flaschenhals macht er halt. Irgendwas ist da schiefgelaufen. Sirup schäumt nicht einfach so. Ich schnuppere an der Flasche, es riecht leicht vergoren.
Ich gehe zum Mann ins Schlafzimmer und halte ihm die Flasche vor die Nase: »Riech mal!«
»Hm, riecht nach Holunderblüten, ein bisschen säuerlich.«
»Es hat wie wild geschäumt und geknallt«, erkläre ich ihm.
»Dann hast du jetzt Holundersekt schon fertig in der Flasche«, sagt der Mann und zuckt mit den Schultern.
Ich rieche noch mal an der Flasche und zögere, ob ich das jetzt gut oder schlecht finden soll. Ich meine, wir wollten eh Holundersekt trinken. Aber selbst gemachten Sekt? Ich glaube, dafür bin ich noch nicht bereit.
»Das ist irgendwie eklig«, sage ich. »Das will ich eher nicht trinken. Du?«
»Nee, ich glaube auch nicht. Guck mal, da schwimmt auch so Dickes unten drin. Kipp das mal lieber weg.«
Ich gehe also zurück in die Küche und schütte eine halbe Flasche Holunderblütensirup in den Ausguss. Lebensmittel wegzuwerfen, fällt mir eh schon wahnsinnig schwer. Aber etwas Selbstgemachtes weg zuschütten – mir blutet das Herz.
Ich atme tief durch, fülle zwei Gläser mit Prosecco und lasse je zwei Eiswürfel hineinfallen. Dann gehe ich zum Mann und proste ihm zu: »Auf ein missratenes Gartenjahr!«
»Das wird schon noch«, antwortet er und lässt sein Glas an meines klirren. Wir trinken beide, genießen die Kühle im Bauch, ich angle nach meinem Buch, um es mir so gemütlich wie der Mann zu machen, da hält er mir sein Glas noch einmal hin und sagt: »Auf ein halbes Jahr Selbermachen!«
Ich stutze kurz, stelle fest, dass er recht hat, ein halbes Jahr ist jetzt schon rum, dann hebe ich auch mein Glas noch mal und sage: »Auf das nächste halbe Jahr Selbermachen!«
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Tag 190
Eine Anschaffung fürs Leben
Ich verbringe meine Mittagspause in der Münchner Einkaufsstraße und bin schon nach wenigen Minuten gestresst. So viele Menschen auf so wenigen Quadratmetern – und das nach so langer Zeit, in der ich überhaupt nie shoppen war und nur ab und zu mal die stets angenehm leere Stoff- oder Kurzwarenabteilung eines Kaufhauses besucht habe.
Aber jetzt haben wir einen Notfall, deswegen muss ich einkaufen gehen. Gestern ist unser Pürierstab kaputtgegangen, und zwar beim Eiscrememachen. »Dafür nimmt man ja auch eine Eismaschine«, hat der Mann mich belehrt. Aber ich will keine Eismaschine. Ich mag es nicht, wenn tausend Geräte in der Küche herumstehen. Und wozu brauchen wir eine Eismaschine, wenn ich doch gerade erst die Entdeckung des Jahrhunderts gemacht habe: nämlich, dass man auch mit einem Pürierstab ganz einfach aus gefrorenen Früchten und Milch oder Sahne einen Topf Eiscreme machen kann!
Eigentlich wollte ich mir einen Milchshake machen und hatte einfach zu wenig Milch und zu viele Tiefkühl-Erdbeeren genommen, so bekam ich Eis statt eines Shakes. Also gibt es jetzt seit fast zwei Wochen jeden Abend einen Topf Eis, meistens Erdbeereis, in das ich gerne auch ein paar gehackte Minzeblätter aus dem Garten einrühre. Das ist einfach großartig: an einem Tag mit über 30 Grad Celsius die Arbeit beenden, sich an den Balkon setzen und eine Schale Eis essen.
Nur dass eben gestern plötzlich der Motor des Pürierstabs kapitulierte und sich auch nicht mehr starten ließ, als ich ihn aus der halb gefrorenen Pampe zog. Er hatte wohl einfach die Schnauze voll nach einem halben Jahr fast täglichem Betrieb. Ständig musste er Hummus produzieren oder
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