Hab ich selbst gemacht
Klamotten, kann schneidern, basteln, kochen, stricken, häkeln und bekommt selbst dann keine Angst, wenn sie mit 25 Kilo Zement in einer Küche ohne Fußboden steht. Und tatsächlich schreibt sie: »Ich bin nicht besonders unsicher, wenn es darum geht, etwas selber zu machen. Ich denke ›Ach, wie kompliziert kann das schon sein‹ – und manchmal wird’s gut, manchmal fürchterlich. Lernen lässt sich aus jedem Versuch, egal, wie das Ergebnis ist.«
Und dann antwortet sie noch auf meine Frage, warum so viele Selbermachblogs so wahnsinnig toll aussehen – mit hübschen Fotos, auf denen das Selbstgemachte immer perfekt aussieht – und ob das die Menschen, die das lesen, nicht einschüchtert, weil sie sich denken: ›So schön kriege ich das sowieso niemals hin.‹. Frau Liebe schreibt: »Wenn ich andere Blogs lese, die bis ins kleinste Detail durchgestylt sind, gibt es schon mal kurze Momente, in denen ich denke, dass es doch schön gewesen wäre, heute auch mit meinen drei perfekt gekleideten Kindern bei 23 Grad Celsius im Schatten im Wald kleine Hütten aus Stöckchen zu bauen, während mein perfekter Mann schon mal den Rotwein aufmacht. Dann fällt mir aber ziemlich schnell ein, dass auch in der perfekten Welt die Katze auf den neuen Teppich gekotzt hat, wenn die Familie vom Waldspaziergang zurückkommt. Irgendwo habe ich mal gelesen: ›When life is shit, put glitter on it.‹ Bei jedem laufen Sachen schief, manchmal nur ein bisschen und manchmal so, dass es kaum auszuhalten ist. Aber das will man nicht unbedingt gleich der ganzen Welt vor den Latz knallen. Auch mein Blog funktioniert nur als glücklicher Ort. Ich möchte nicht, dass Leute, die mit ihrem Feierabendbier in der Hand meinen Blog lesen, sich hinterher erst mal wieder davon erholen müssen, was bei mir heute schon wieder alles mies gelaufen ist.«
Frau Liebes Einstellung gefällt mir. Und ich beschließe, dass heute Abend bei der Brotzeit der glitter etwas Blaubeermarmelade vom letzten Jahr auf einer frisch gebackenen Stulle sein wird.
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Tag 211
Zonenschick, Zonenstrick, Zonenglück
Ich habe mir ein Wochenende »wie früher« gegönnt. Was heißt: Am letzten Wochenende haben der Mann und ich einfach mal gar nichts gemacht, wir haben ewig gefrühstückt, dabei Zeitungen und Zeitschriften gelesen – ich konnte mir aussuchen, ob ich welche von vor einer, von vor acht oder von vor zwölf Wochen lesen wollte, sie lagen alle ungelesen auf einem Stapel –, und irgendwann haben wir Brotzeit gemacht, sind raus an die Isar, haben dort wieder gelesen, und am Abend sind wir noch essen und ins Kino gegangen. Mit meinen Händen habe ich nichts gemacht außer Seiten umgeblättert und mir Essen in den Mund geschoben.
Doch an diesem Wochenende wird es nichts mit Faulenzen an der Isar. Es regnet.
Es soll sogar kühler werden, so die Wettervorhersage. Um wenigstens unsere Mägen zu wärmen, mache ich zum Abendessen Quarkkeulchen. Vor ein paar Tagen bin ich im Slow-Food-Magazin über das Rezept gestolpert und habe mich sofort an meine Kindheit erinnert: In der Schulspeisung, also dem Mittagessen in der Schule, hat es oft Quarkkeulchen gegeben, und auch zu Hause – ein typisches, einfaches Berliner Essen.
Ich koche Kartoffeln und zerquetsche sie zusammen mitQuark, Rosinen, Mehl, Zucker und etwas Zitrone, dann forme ich mit den Händen kleine Keulchen, brate sie von beiden Seiten ein paar Minuten lang an und lege die fertigen Keulchen auf einen Teller im warmen Ofen.
Nebenbei höre ich im Radio etwas über Fischfang in der Nordsee. Radiohören ist für mich zu einer Art Nebenhobby geworden. Vor allem am Wochenende, wenn ich oft mehrere Stunden in der Küche verbringe, weil ich Kuchen backe und koche und dann ja auch alles wieder aufräumen muss, lerne ich erstaunliche Sachen aus den Radioreportagen. Deshalb habe ich auch bald nach Beginn meines Selbermachjahres den Sender von B5 aktuell auf Deutschlandfunk umgestellt. Früher lief sowohl im Bad als auch in der Küche B5, weil dort alle 15 Minuten Nachrichten kommen – das hieß, in der kurzen Zeit, in der wir uns im Bad oder in der Küche aufhielten, bekamen wir auf jeden Fall einmal die Nachrichten mit. Wenn man aber zwei Stunden in der Küche hantiert und dann zum achten Mal die gleichen Nachrichten vorgelesen bekommt, nervt das. Jetzt, mit den langen Interviews, Reportagen und Diskussionsrunden, fühle ich mich immer topinformiert. Auch über abseitigere Themen wie Altarmalerei oder die
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